Superdaddy: Roman (German Edition)
Anrufe in Abwesenheit. Achtzehn Mal Ines. Fünf SMS hatte sie mir geschickt.
Nummer eins: RUF! MICH! AN!
Nummer zwei: bist du völlig durchgeknallt? du reitest mich hier in die totale scheiße! melde dich! JETZT!
Nummer drei: wenn du noch interesse an deinem beruf, deiner karriere und meiner agentur hast, ruf mich in den nächsten zehn minuten an. ines
Nummer vier: okay, du hast dein handy ausgemacht. du willst nicht mehr. sagst du mir wenigstens, warum? damit ich es dieser kröte von veranstalter sagen kann?
Nummer fünf: philipp – ist was passiert?
Arme Ines. Vermutlich war der Mann mit dem weichen Händedruck völlig ausgerastet und hatte gedroht, nie, NIE wieder einen Künstler von Fun Unlimited zu engagieren, wenn sie ihren bescheuerten Comedy-Artist nicht umgehend auf die Bühne zurückbeorderte. Wahrscheinlich hatte er sie mit ansteigender Cholerik im Fünf-Minuten-Takt angerufen. Und Ines konnte ihr Handy nicht ausschalten. Sie WAR ihr Handy. Ob mitten in der Nacht, im Konzert oder beim Sex: Ines ging immer dran. Ihre Emsigkeit war unheimlich. Ihre guten Absichten machten mir ein schlechtes Gewissen. Und ihr Glaube an den Komiker Philipp Kirschbaum-Vahrenholz beschämte mich. Ich verdankte ihr alles.
Acht Jahre hatte ich versucht, mich selbst zu managen, und es war eine einzige Demütigung gewesen. Veranstalter, die nicht zurückriefen und meine Bewerbungsvideos als Fensterstopper benutzten. Kollegen, in deren Shows ich umsonst auftrat und die sich wenige Wochen später schon nicht mehr an mich erinnern konnten. Dann kam dieses halbe Jahr, als alles von selber lief wegen einer Glanznummer, und das im Eklat endete wegen genau dieser Nummer. Dieses halbe Jahr, das ich aus meinem Gedächtnis und meinem Leben gestrichen hatte, weil ich seither keinen Kontakt mehr zu meinem Vater hatte. Und dann kam Rattengesicht, ein legendärer Agent, der vor zwanzig Jahren mal die ganz großen Namen vertreten hatte und mich angeblich »schön böse« fand. Rattengesicht meinte, man müsse jetzt nur ein bisschen am Schräubchen drehen . Dann passierte ein Jahr lang gar nichts. Bis ich zu Uschi wechselte, einer Altlinken, die mit ihrer durchdringenden Stimme allen Veranstaltern auf die Nerven ging, was ich zunächst für einen Vorteil hielt. Weniger vorteilhaft war, dass sie Termine durcheinanderbrachte und die Plakate und Pressefotos zu spät verschickte. Oder an das falsche Theater. Oder gar nicht.
Und dann kam Ines. Sie stand vor mir: Bubikopffrisur, Businesskostüm, 1,60 groß. Bei sehr aufrechtem Stand. Auf High-Heels. Sie sagte: »Ich bin 25, ich bin Kulturmanagerin, und ich möchte Sie gerne vertreten.« Sie war unglaublich. Jeder Staragent nahm zwanzig Prozent, sie als Berufsanfängerin forderte 33,33 Prozent. Jede Agentur hatte mindestens zehn Künstler, sie vertrat bis heute nur drei. Sie zwang mich, endlich ein neues Programm zu schreiben. Sie produzierte mein Bewerbungsmaterial neu. Und sie besuchte jedes Festival, jede Preisverleihung und jede Aftershowparty, um von mir zu schwärmen. Philipp? Sie kennen Philipp nicht? Er ist der absolute Wahnsinn! Sie verschaffte mir eine Kolumne in der zweitgrößten Hamburger Zeitung und brachte mich in jede Mixed-Show dieser Republik. Aber ich blieb eine riesige Enttäuschung. Sie wollte ein Programm über Männer und Frauen, ich machte eins über Mutproben. Sie brachte mich in Genial daneben , ich sagte zwei Wochen vorher ab, wegen Charlottes Hauptvortrag über Ostväter auf dem deutschen Soziologentag in Leipzig. Sie hatte Hardy mit ihrem Lipgloss und ihrem Push-up becirct, und ich brach den Auftritt ab, weil Lasse sich die Hand verbrannt hatte. Was sollte ich ihr antworten, auf ihre fünf SMS? Sie hatte keinen Lasse, nicht mal einen Freund, sie hatte überhaupt kein Privatleben. Sondern den Traum, eine erfolgreiche Künstleragentin zu sein. Sie ging auf eine Party, weil dort die Nichte des Cousins eines Brieffreunds eines ehemaligen WDR-Redakteurs auftauchen könnte. Aber es gab einen Haken: Selbst wenn diese Nichte dort aufgetaucht wäre und Ines ihr von mir erzählt hätte – ich wäre nie ihr Dieter Nuhr geworden. Mir fehlte der unbedingte Wille, der sie beseelte. Ich wusste nicht mal, woher sie ihn nahm. Ich war eine Zumutung für sie. Am besten, sie schmiss mich raus und suchte sich jemand anderes. Künstler sein war überbewertet. Ich würde hauptberuflich Vater werden. War es das?
Luna musste um zehn zu Hause sein. Sie kam um kurz nach elf. Lasse war gerade
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