Superdaddy: Roman (German Edition)
eingeschlafen. Ich hastete so schnell und so leise wie möglich zu ihr, ehe sie in ihrem Chaoszimmer verschwinden konnte, in dem sie sich neuerdings immer einschloss, als würde sie dort Hardcore-Pornos gucken.
»Kann es sein, dass du morgen Mathe schreibst, Luna?«, stellte ich sie zur Rede.
Sie blieb stehen, drehte den Kopf und schleuderte mir einen Blitz von einem Blick zu. »Kann es sein, dass dich das überhaupt nichts angeht, Philipp?«
Von dem Mädchen, das ABBA hörte und Hier kommt Lola! las, war nicht mehr viel übrig. Was für eine Demütigung. Allein schon dieses ›Philipp‹. Seit einem halben Jahr sagte sie das. Hatte ich meinen Vater ›Karl‹ genannt mit vierzehn? Hätte irgendjemand von uns Kindern es gewagt, ihn ›Karl‹ zu nennen? Oder ›Rosemarie‹ zu unserer Mutter zu sagen? Ich habe sie ›Mutti‹ genannt, bis zum letzten Atemzug.
»Du hast in der Woche um zehn zu Hause zu sein!«
Ein letzter verzweifelter Anlauf, meine Autorität zu wahren. Von dem ich im selben Moment wusste, dass er scheitern würde.
»Ach so! Und wenn ich trotzdem zu spät komme? Was dann?«
Ihr Grinsen ging vom Unverschämten ins Bösartige über, während ihre Augen so hellgrün schimmerten wie Charlottes. Es war schon unheimlich, wie die beiden sich ähnelten. Als hätte ich in dieser genetischen Reproduktion gar keine Rolle gespielt.
»Wir besprechen das morgen mit Mama!«, sagte ich, um einen Rest Würde zu erhalten, und flüchtete ins Wohnzimmer, bevor sie mich noch weiter provozieren konnte. Oder verlor ich den Rest Würde, indem ich zeigte, dass ich Angst vor noch mehr Widerspruch hatte? Was konnte würdeloser sein, als auf die Mama zu verweisen?
Mein eigener Klingelton erschreckte mich. Yellow Submarine . Unangemessen fröhlich für die Schreckensnachrichten, die mich derzeit durch mein Nokia erreichten. Nummer unterdrückt. Wer rief mich bitte um halb zwei in der Nacht an? Ich drückte auf die grüne Taste und hielt das Handy ans Ohr.
»Hey, du Superdaddy, ich brauche deine Wohnung!«
»Äh, Max, spinnst du? Weißt du, wie spät es ist?«
Max platzte immer in den unpassendsten Momenten in mein Leben. Aber das machte ihm nichts aus. Sein Soziologiestudium hatte er in Rekordzeit abgeschlossen. Inzwischen reiste er für einen schwedischen Hedgefonds um die Welt und kaufte Firmen auf, um sie zu filetieren und teuer weiterzuverkaufen. Dabei hielt er sich ständig in anderen Zeitzonen auf, die er aber nicht beachtete, wenn er mich anrief. Er ging davon aus, dass ich mich immer freute, seine Stimme zu hören. Leider hatte er damit sogar recht.
»Was willst du, du bist doch noch wach! Wahrscheinlich hat eins deiner sechzehn Kinder Bauchweh und du trägst es schon seit einer halben Stunde durch die Wohnung.«
Max war in allem das Gegenteil von mir. Und es widersprach allen Gesetzen der Wahrscheinlichkeit, dass wir noch befreundet waren. Er war Workaholic und hätte nicht zehn zusammenhängende Minuten in der Woche Zeit für ein eigenes Kind gehabt, behauptete aber trotzdem, dass es genau das wäre, was seinem Leben fehlte. Er wurde nicht müde zu beteuern, wie sehr er mich um die Kleinen beneide, aber in Wirklichkeit war es ganz anders. Ich wusste, wie es war: Ich tat ihm leid, weil ich alles verpasste, was das Leben in seinen Augen ausmachte. Davon war er überzeugt. Er würde es aber nie zugeben. Und das rechnete ich ihm hoch an.
»Nein, Lasse hat sich die Hand im Backofen verbrannt.«
»Hey, das kommt mir bekannt vor!«
Wahrscheinlich war er in Nairobi, aber seine Stimme kroch direkt in mein Ohr. Es klang, als würde er das Telefonmikro aufessen.
»Du bist doch der, der sich ständig verbrennt! Aber wo ist Charlotte?«
»Bei einem gewissen Bernhard. Und du?«
»In Tokio. Hab grade gefrühstückt. War das ein schlechtes Frühstück. Frühstücke nie in Japan, mein Freund. Und erschieße diesen Bernhard.«
»Dann kommt der nächste Bernhard.«
»Du solltest alle Männer erschießen, die Charlotte auch nur angucken.«
Sag das nicht, Max, dachte ich. Ich wusste, wie er Charlotte ansah. Seit sechzehn Jahren.
»Und jetzt zum Grund meines Anrufs: Ich chatte grade mit Lucy. Wir wollen uns treffen. Aber letztes Mal gab’s ein Problem. Sie hatte erst zwei Minuten die Klamotten wieder an, als Theresa völlig überraschend reinkam, viel zu früh aus der Kanzlei. Die klassische Szene. Ich hab fast ’n Herzinfarkt bekommen und irgendwas gestammelt, Lucy wäre meine neue PR-Assistentin.«
»Glaub ich
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