Superhirn Sammelband
Gérard. »Micha ist doch schon übermorgen wieder voll da!«
Alle lachten.
»Nun, dann wird Micha bis zum Ferienschluß zu euch auf die Insel kommen!« versprach der Minister.
»Dann hätte ich nur noch eine Bitte«, meldete sich Superhirn, der mit Tati geflüstert hatte.
»Vergessen Sie nicht, daß es auch an Madame Dydon etwas gutzumachen gibt!«
»Die schicke ich euch als Gesellschaftsdame« sagte Professor Romilly aufgeräumt.
»Ja!« rief Prosper begeistert. Der gute Junge wollte hinzufügen: Dann putze und wasche ich auch mal für sie! Im Eifer wurde daraus: »Ich p-p-putze und wasche sie …!«
Da wackelte vor Lachen selbst Michas Kopf.
ENDE
Ein Zug verschwindet
– 1 –
Ein Zug verschwindet – und Superhirn kommt zu spät
»Still, Sultan«, beschwichtigte der Nachtpförtner seinen Schäferhund. Und zu sich selber sagte er:
»Es ist nichts. Nichts. Nur der Nachtzug, der verdammte Nachtzug.«
Er straffte die Leine, so daß er den zitternden Leib des Hundes an seinem Knie spürte. Weiß der Teufel, dachte er, der Zug ist noch nicht zu hören – aber Sultan hat wohl so etwas wie ein inneres Vorsignal. Das erklär mir mal einer!
Die Julinacht am Atlantik – nahe der Girondemündung – war warm, wenn auch ein wenig feucht. Noch zwanzig Kilometer landeinwärts spürte man die Brise der See. Dunst lag über Weinfeldern, Weiden und Brachland. Die Wolkendecke gab den Mond nur selten frei. Mit dem unruhigen Hund stapfte der Pförtner Morant über das Werftgelände, am Zaun entlang, der dem Verlauf des Treidelpfades und dem Kanal folgte. Bei der hintersten Halle leuchteten Scheinwerfer. Dort legten zwei Arbeiter und ein Gehilfe letzte Hand an ein hochgebocktes Austernboot. Die Nachtschicht war nötig geworden, weil die Decksdübel nicht rechtzeitig eingetroffen waren.
»Der Hund ist ein Menschenfresser!« meinte der Gehilfe Edi mißtrauisch. Er trat zur Seite und griff nach seiner Bierflasche. »Halten Sie das Biest fest, Morant. Ich will nicht als Knochenbündel heimfahren.«
Morant kicherte. »Keine Angst, Edi. Du bist erst gestern gekommen, und deine Arbeit fällt ausgerechnet in unsere Geisterstunde. Sultan tut dir nichts. Er hat's in der Nase, daß du zu uns gehörst. Aber es ist zu komisch: Immer, wenn der SILBERBLITZ fällig ist, kriegt er das Kribbeln.«
»SILBERBLITZ?« fragte Edi verständnislos.
Der ältere Arbeiter oben auf dem Boot mußte lachen. »Ein Privatzug von der Küste. Vom Cap Felmy. Letzter Schrei der Technik. Fast so einer wie die Schienentorpedos in Japan. Na ja, er kommt ja auch aus dem Brossacer Forschungsinstitut. Bringt jede Nacht geheimes Zeug aus den Labors nach Buronne an die Hauptbahn.«
»Waaas?« Edi stellte die Bierflasche ab. »Ich hab sechs Monate in »ner japanischen Autofabrik gearbeitet. Ich kenn die fliegenden Torpedos, diese Wahnsinnszüge mit fast dreihundert Stundenkilometern! Und jetzt ist man dabei, Loks zu testen, die über den Schienen schweben, die sollen noch schneller sein. So ein Ding habt ihr hier?«
»Ganz so wild sind wir nicht!« grinste der andere Arbeiter. »Der SILBERBLITZ ist nichts weiter als 'ne Werksbahn: Diesellok, ein paar Waggons mit Kleincontainern, aber alles schnittig und sauber, prima isoliert. In hellen Nächten denkst du, da zischt 'ne Silberschlange vorbei!«
Sultan winselte.
»Da kommt er!« bemerkte Morant. »Das ist der SILBERBLITZ!«
Edi trat an den Zaun und blickte über den Kanal. In nordöstlicher Richtung sah man die starken Scheinwerfer wie zwei stechende, bösartige Augen.
Der Hund begann zu jaulen.
Edi drehte sich kurz um. »Aber man hört ja gar nichts!«
»Sultan hat andere Trommelfelle«, behauptete Morant. »Es hängt wohl auch damit zusammen, daß…«
Er brach ab, denn der Gehilfe stieß einen Ruf des Erstaunens aus. An der Böschung, über die der Zug heransauste, befand sich ein Peitschenmast mit ziemlich hellem Licht. Als der SILBERBLITZ daran vorbeifuhr, sah man die Stromlinienhaube der Lok mit den Cockpitfenstern: gleichsam ein Flugzeug ohne Tragflächen.
»Donnerwetter!« flüsterte Edi. »Das soll ein Werkzug sein? Dann aber sicher die rassigste aller Kleinbahnen! So'n Ding möcht ich haben!«
Das Mondlicht gab für einen Moment die Uferträger der alten Kanalbrücke frei. Edi wandte seinen Blick dorthin, um den SILBERBLITZ in seiner ganzen Schnittigkeit zu sehen. Doch die Pfeiler versanken wieder im Wolkendunkel, ohne daß die Scheinwerfer der Lok sie gestreift hätten. Sultan heulte laut.
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