Superhirn Sammelband
Ein grüner Sportwagen schnurrte über den Feldweg heran. Die Gefährten zerrten ihre Räder zur Seite. Tati griff nach dem Pudel. Aber das Auto hielt, und eine modisch frisierte Dame in flottem weißem Strandkleid stieg aus. Ihre Augen hatten etwas Jugendliches, doch ihr Blick versprühte Zorn.
»Ich dachte, es wäre Polizei hier«, begann sie ohne Gruß. »An die Strecke, dort, komm ich nicht ran!
Was ist das für ein Theater – nun sogar schon am Tage? Meine Schülerinnen wollen eine Polizeistreife gesehen haben. Ich würde den Beamten was hinter die Ohren schreiben: Der Zug muß weg! Dieser alberne SILBERBLITZ!« Sie sah zur Trasse hinüber. »Die ganze Überführung muß abgerissen werden!«
Die Geschwister und Freunde warfen sich Blicke zu.
»Ihre Schülerinnen, sagten Sie?« nahm Tati höflich das Gespräch auf. »Sie sind Lehrerin? Haben die Mädchen keine Ferien?«
»Ich bin die Direktorin des Schulheims ,La Rose'!« entgegnete die Frau. »Meine Anstalt ist gleichzeitig Ferienheim.« Ohne die Jungen weiter zu beachten, fuhr sie fort: »Ich heiße Ladour, Yvette Ladour.«
Sie hielt sich an Tati, die ihr vertrauenerweckend erschien. Inzwischen spähten die anderen durch die Hecke hügelwärts.
»Da ist das Heim!« raunte Micha. »,La Rose'! Ich seh die Fahnenstange mit blauem Tuch und aufgestickter gelber Rose. Piekfeines Haus. Wie ´n Hotel!«
Das stufenförmige Gebäude war dem Abhang eingepaßt. Die Terrassendächer schmückten prächtige Blumen. Und die Anordnung der Blumen auf dem Plateau ließ erkennen, daß es dort Sport-und Spielplätze gab.
»Ich möchte wissen, wie ich da jetzt hinkomme, wo der Zug steht«, sagte die Direktorin laut zu Tati.
»Ein Weg führt dort nicht hin, nun gut. Dann werde ich verlangen, daß der Lokführer entlassen wird.«
Superhirn fuhr herum. Auch die anderen horchten auf.
»Ja, der Lokführer!« wiederholte Madame Ladour. »Dieser Schienen-Casanova! Ein eitler, eingebildeter junger Geck! Filou, Hallodri, Allerweltskerl! Er verdreht meinen Mädchen die Köpfe!
Und das – letzte Nacht – war der Gipfel. Der Bursche macht einen Zirkus aus meinem Heim. Er reißt die Mädchen aus den Betten…«
»Der Lokführer?« vergewisserte sich Superhirn. »Wer denn sonst?« rief Madame Ladour. »Nachts war der Teufel los! Er hatte das angekündigt, und ich bin extra aufgeblieben, um alles festzuhalten – auf Band und Film: Punkt l Uhr 30 fuhr der SILBERBLITZ auf die Hochstrecke. 45 Sekunden später verschwand er im Schacht nach Belle-Buronne. Aber solange er im Freien fuhr, hat er ununterbrochen geblinkt und die Sirene heulen lassen.« Sie wendete sich wieder an Tati: »Er macht ja jedesmal Unfug, der Herr »Ritter vom Silberblitz«, aber diesmal übertraf er sich selbst. Er weiß, daß die Mädchen nicht schlafen, bevor er seine Nachtvorstellung gegeben hat. Sie hingen aus den Fenstern, schwenkten Taschenlampen, und eine blies auf einer Trompete, die sie weißgottwoher hatte. Das reicht mir nun. Der Bursche kriegt eine Anzeige!«
»Madame«, sagte Superhirn schnell, »Sie haben den SILBERBLITZ gesehen? Er hat nicht angehalten, sein Tempo auch nicht verringert? Er kam pünktlich wie immer? Er tauchte aus dem Röhrenschacht auf, blieb 45 Sekunden auf der Überführung und verschwand am anderen Ende im Boden, ohne daß etwas Ungewöhnliches geschah …?«
»Nichts Ungewöhnliches? Der Lokführer Otello – ja, so heißt er tatsächlich -, dieser Otello hatte auf der Post einer meiner Schülerinnen angekündigt, er würde ,Remmidemmi' machen, besonderen Jokus' - oder wie er sich ausdrückte. Soll das vielleicht nichts Ungewöhnliches sein?«
»Ich meine …«, Superhirn räusperte sich, »haben Sie einen Hubschrauber gehört? Ist so ein Riesending – wie eben – hier herumgebraust?«
»In der Nacht? Das fehlte noch!« sagte die Direktorin. »Nein, nein. Von einem Hubschrauber ist keine Rede. Der SILBERBLITZ hat mir genügt. Und wenn der Lokführer nicht rausfliegt, entlasse ich seine Verlobte – denn die ist bei mir Lehrerin!«
Diese unerwartete Eröffnung traf die Gefährten wie ein Schlag. Tati fand als erste Worte:
»Wenn seine Verlobte im Heim wohnt, wollte er sicher nur ihr ein Zeichen geben.«
»Sie hat einen Bungalow am Strand bei Palmyre geerbt«, erwiderte die Direktorin. »Nachts ist sie niemals hier. Ja, und wenn man noch dazu mit einem hochbezahlten Lokführer verlobt ist, dann kann man natürlich leben wie ein Feriengast. Aber das wird sich
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