Superhirn Sammelband
Gift-Entladerampe! Mindestens zehn Arbeiter der Nachtschicht beschwören, den haltenden Zug gesehen und seine Hupe gehört zu haben.«
»Und dann war er weg?«
»Genau! Aber er paßt auf keine Normalschiene, also kann er sich nicht über die Verschiebegleise verdrückt haben. Ebensowenig fand man Spuren, etwa einer heimlichen Verladung, auf LkwTransporter.«
»Ziemlich viele Widersprüche«, meinte Madame Dydon. »Du bist also davon überzeugt, daß der Zug weg ist. Andererseits glaubst du – wie der Kommissar: Er kann gar nicht verschwunden sein!«
»Genau das ist das Problem«, nickte Superhirn. »Die Fahnder sehen es aber nur zur Hälfte. Meiner Meinung nach haben wir es mit einem unglaublichen Verbrechen zu tun!« Er gähnte. »Aber ich muß mich unbedingt einen Moment aufs Ohr legen. Ich habe seit sechzehn, siebzehn Stunden nicht geschlafen.«
Er verließ den Raum gerade, als die Geschwister sowie Prosper und Gérard zurückkamen.
»Superhirn verbirgt uns was!« meinte Tati.
»Sollen sich die Erwachsenen die Köpfe zerbrechen«, lenkte Madame Dydon ab. »Der SILBERBLITZ wird schon wieder auftauchen.«
»Das meinen Sie doch nicht im Ernst«, sagte Henri kopfschüttelnd. Nach dem Imbiß stiegen er und Gérard zur Aussichtsplattform empor, um die Such-Hubschrauber zu beobachten. Tati saß am Radio und wartete auf eine Durchsage.
Prosper meldete vom Portal her: »Auf dem Institutsgelände steht ein Ü-Wagen vom Fernsehen, solche Dinger kenn ich. Auch Pressefahrzeuge scheinen da zu sein, jedenfalls wimmelt es von Leuten mit Fotoapparaten!«
»Ist mir schnuppe!« Tati faßte einen Entschluß: »Wir bleiben hier, bis wir Näheres wissen. Wir haben heute genug in der Hitze geschmort. Ich schlage vor, wir packen erst mal in Ruhe unsere Koffer aus.«
Madame Dydon fuhr in ihrem Kombiwagen – ihrer neuen Errungenschaft – nach Brossac-Centre, um Einkäufe für das Abendessen zu machen. Als sie kurz nach 18 Uhr zurückkam, saßen ihre Schützlinge beim Tee. Auch Superhirn war wieder dabei. Er sah erstaunlich frisch aus, obwohl er kaum zwei Stunden geschlafen haben konnte. Nur Micha saß vor seiner Tasse, als bedrücke ihn irgend etwas.
»Nun, wie ist die Stimmung im Ort?« fragte Prosper neugierig.
»Ach …«, Madame Dydon winkte ab. »Man redet das unsinnigste Zeug. Besonders die alte Tante des Lokführers meint, sie wüßte schon alles.«
Superhirn horchte auf: »Was will sie wissen? Was – genau?«
Madame Dydon lachte ärgerlich. »Daß die Bahn verhext worden ist! Es läge ein Fluch über der Strecke, auch wenn die Schienen erneuert wurden.« Sie unterbrach sich und wandte sich zum Eingang, denn der Pudel bellte. »Ist da jemand?« rief sie.
»Entschuldigen Sie«, ertönte eine weibliche Stimme. »Ich suche hier jemanden.«
Eine junge Frau, eher noch ein junges Mädchen, kam herein. Sie trug einen blauen Blusenanzug mit aufgestickter gelber Rose am Kragen, dazu einen gleichfarbigen Schal. Ihr dunkles Haar war zerzaust, ihr Gesicht auffällig blaß. Nur mit Mühe hielt sie sich auf den Füßen. Micha rutschte vom Stuhl und wich an die Wand zurück, als sähe er ein Gespenst. Den anderen fiel das nicht weiter auf, denn auch sie starrten die Besucherin an.
»Mein Gott, Mademoiselle Susanne!« rief Madame Dydon.
»Susanne?« murmelte Gérard. »Das muß die Lehrerin sein, die Braut vom SILBERBLITZ!«
»Ich wollte mit meinem Auto an die Bahnstrecke ran«, berichtete Susanne stockend. »Aber die Polizei ließ mich nicht durch, auch nicht zu Fuß. Ich hab ja alles viel zu spät erfahren. Otello wollte nach dem Dienst mit seinem Motorrad nach Palmyre kommen. Bis fünf Uhr früh lag ich wach, dann nahm ich eine Schlaftablette. Erst mittags stand ich auf, ich glaubte, er hätte mich mal wieder sitzenlassen, um einem Freund bei einer Reparatur zu helfen. Das tat er – das tut er öfter, und er kümmert sich dann um keine Zeit. Nun, ich war ärgerlich und ließ das Telefon klingeln. Dann arbeitete ich im Garten, und erst vor eineinhalb Stunden nahm ich den Hörer ab. Aber nicht Otello war am Apparat, sondern eine Schülerin. Sie hatte von der Direktorin erfahren, daß der SILBERBLITZ verschwunden sei …«
»Nun setzen Sie sich da in den Sessel«, versuchte Frau Dydon sie zu beruhigen. »Das wird nichts anderes sein als eine ungewöhnliche Panne! Man tappt ja völlig im dunkeln.«
Die Lehrerin blickte auf. Fassungslos fragte sie: »Ja, wissen Sie denn noch nichts? Der SILBERBLITZ ist gefunden
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