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Superhirn Sammelband

Titel: Superhirn Sammelband Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ulrici
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deutschjapanisches Modell!«
    Woher sich der Lokführer Otello den teuren Feuerstuhl hatte leisten können, kümmerte im Augenblick niemanden. Selbst Superhirn hatte noch nicht darüber nachgedacht. Um über die Schutzmauer meerwärts blicken zu können, mußte man zwei Leisten aus Beton erklimmen. Die Sonne blendete noch stark vom westlichen Horizont. Die vorgelagerte Festungsinsel Kastell Roc erschien wie ein Schattenriß.
    Superhirn war mit einem Zentimetermaß beschäftigt, als Micha ihn wieder am Hemd zupfte. »Von der Lok haben sie nichts geborgen als einen Teil des Dachs. Vom Führerstand aber nicht die Spur!«
    Dieser Führerstand – das wußten sie jetzt zur Genüge – ähnelte äußerlich dem Gehäuse eines Flugzeugs. Viele »große« Loks wurden längst so gebaut: etwa wie die Maschine des »LyonChampions«. Das war also nichts Neues. Superhirn knurrte: »Ich bin nicht blind, Micha. Was sie da aus dem Wasser gezogen haben, ist der hochklappbare Einstieg der Lok-Kabine.«
    In diesem Augenblick rief ein Mann vom Schienenkran herab: »Der Fall liegt für mich klar, meine Herrschaften. Der SILBERBLITZ ist ohne menschliches Verschulden über die Mauer ins Meer gestürzt – oder besser: geflogen. Ich will das erläutern!«
    »Was ist denn das für ein Spinner?« raunte Micha.
    Aber schon sagte der Mann: »Sie wissen, ich bin vom Technischen Überwachungsverein. Wir kennen solche Fälle. Sehen Sie bitte die Markierung an der Innenseite der Unglücksstelle!«
    Die Leute auf dem Gleis wandten sich um und reckten die Hälse.
    »Hier ist im Jahre 1913 eine Aussichtsbahn mit drei Personenwagen in die Tiefe gestürzt!«
    »Da war der TÜV-Heini noch nicht auf der Welt«, ärgerte sich Micha.
    »Still!« Superhirn lauschte angespannt.
    »Der Zug verunglückte damals aufgrund einer Erscheinung, die wir den Miller-Effekt nennen!«
    »Den ,Miller …' waaas ..?« fragte ein Polizist.
    Der TÜV-Sprecher erklärte: »Walt Miller war ein New Yorker Hochbahn-Experte. Er hatte sieben ähnliche Abstürze untersucht, bis er auf folgendes kam:
    Ein fahrender Zug ist weitgehend mit einem Hohlkörper in einer Art Schwebezustand zu vergleichen. Fährt er nun an einer Wand entlang, hat er von dort keinen Luftwiderstand. Kommt jetzt – wie in unserem Fall – ein Windstoß von der Seeseite, so wird der Zug an die Wand geschleudert, prallt dort ab, hebt sich und saust wie ein Pfeil schräg vorwärts über die Mauer!«
    »Auch in unserem Fall?« meldete sich der Polizist wieder. »Sie meinen doch das Unglück von 1913!? Da verlief das alte, hochbordige Gleis viel dichter an der Felswand, und zur Seeseite gab es keine Schutzmauer, soviel ich hörte. Wer will denn das mit dieser SILBERBLITZ-Anlage vergleichen?«
    »Erst im vorigen Jahr ist der Balkan-Expreß nach dem Miller-Effekt verunglückt«, konterte der Herr vom TÜV. »Und auf allen Autobahnen gab es massenweise Unfälle nach ähnlichem Prinzip. Ja, man kann das sogar auf bestimmte Flugkatastrophen in den Bergen übertragen.«
    »Quatsch«, murmelte Superhirn. »Ich kenne den Miller-Effekt. Auch die Theorie vom fahrenden Zug als Teilvakuum – die ist sogar noch viel älter. Aber ich sehe hier keine Schramme auf der Mauer. Weder Kratzer, Splitter, Schleif spuren …«
    Er unterbrach sich, denn sein Onkel kam auf ihn zu.
    »Na, was sagt ihr nun?« fragte er.
    »Daß das unmöglich stimmen kann«, rief Superhirn. »Der SILBERBLITZ hat sich ja dicht vorm Ziel noch mal gemeldet – da hatte er diese Stelle längst heil hinter sich.«
    »Und hier ist nichts kaputt!« bekräftigte Micha.
    »So-Und was ist das da . . .?« fragte Professor Kyber in bedeutsamem Ton. Ei wies auf die Leiste an der Mauer: »Ein zerschmetterter Meßkasten.«
    Es handelte sich um eins der Geräte, die auf der gesamten Strecke den Achsdruck, somit auch die Achsfolge in Bildschirm-Impulse für das kontrollierende Stellwerk umsetzen. Das Kästchen, nicht größer als eine Sardinenbüchse, war von der Spurensicherung der Kripo mit weißem Streupulver »abgegrenzt« worden, außerdem lag jetzt eine durchsichtige Folie darüber. Superhirn betrachtete das zerbrochene Gerät. Dann starrte er den Professor an: »Da hat die Bergungslok was drauffallen lassen oder der Kranwagen: vielleicht einen Haken?!«
    »Der Führer der Bergungslok hat den Kasten gleich heute morgen als beschädigt gemeldet«, erwiderte Kyber.
    Superhirn lachte, doch es klang nicht fröhlich:
    »Läßt du dir diesen dicken Bären aufbinden, Onkel?

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