Superhirn Sammelband
die Küstenstraße. Neuerdings war das lnstitut weithin durch Sperr-und Warnschilder abgeschirmt. »Unbefugte« durften nicht passieren, so daß der geringe Verkehr um das Gelände herum nichts Verdächtiges signalisierte. In Brossac-Centre aßen die Gefährten Eis. Aufmerksam, aber so unauffällig wie möglich, spähten sie umher.
»Sieht nicht so aus, als hätten die Leute was Schreckliches erlebt«, erkannte Tati.
»Sie kaufen sich Postkarten und Andenken und hocken faul in den Cafés«, stellte Gérard fest.
»Von denen hat keiner schlecht geschlafen – es sei denn, er hätte sich überfressen!«
»Das mußt ausgerechnet du sagen!« Henri grinste.
»Achtung!« rief Micha alarmiert. »Da kommt Frau Dingdong auf ihrem Dreirad!«
Das komische Vehikel mit der guten Madame knatterte über den Marktplatz. Nicht so sehr an der Fahrerin war ein Erkennen möglich als am Fahrzeug. Madame Dydon trug nämlich ein weites Regencape mit Kapuze – und dazu eine dunkel getönte Sonnenbrille, Auf der Ladepritsche lag ein zusammengerollter grüner Plastikschlauch. Wohl für ihren Garten. Außerdem beförderte sie zwei Säcke.
»Guckt mal – die Handschuhe!« sagte Tati.
»D-d-dicke Gummidinger«, wunderte sich Prosper. »Solche, wie sie die Fischer tragen. Dazu noch hellrote!«
Micha nahm Loulou schnell an die Leine.
»Nicht so hinstarren! Sie will nicht erkannt werden!« mahnte Superhirn. Ohne den Kopf zur Seite zu wenden, ratterte Madame Dingdong an den Gefährten vorbei. Nun sahen sie ihr mit gereckten Hälsen nach. Prosper stotterte: »W-w-was hat sie denn nun schon wieder? Trägt Fischerhandschuhe und 'n Regencape mit Kapuze. Dazu so was Ähnliches wie eine Taucherbrille! Dabei sieht man kein Wölkchen am Himmel!«
»Die will doch nicht als Wassertrampler zur Insel Oléron!« brummte Gérard. Das sollte ein Scherz sein. Doch niemand lachte, allen war der Aufzug ihrer bewährten und beliebten Madame Dingdong unheimlich.
»Kein Einheimischer und kein Tourist wird etwas dabei finden«, meinte Superhirn ruhig. »Sie könnte ja in die Fischmarkthalle fahren. Da braucht sie Handschuhe und so 'ne Art Kittel, um ihr Kleid zu schonen. Und die Brille? Na, es kann ihr ja was ins Auge geflogen sein!«
Tati musterte den Freund von der Seite.
»Das sagt noch lange nicht, daß mit ihr sonst alles in Ordnung ist. Hast du den rechten Handschuh gesehen?«
»Klar«, erwiderte Superhirn unbewegt. »Ich weiß, was du meinst …«
»Was war denn mit dem Handschuh!« unterbrach Micha neugierig.
Alle steckten die Köpfe zusammen, als Superhirn seine Beobachtung mitteilte: »Der rechte Handschuh war leer … !« sagte er leise. »Den hat sie an den Lenker gebunden, damit man nicht sieht, daß ihr die rechte Hand fehlt. Und weshalb sie die dunkle Brille trug? Nun, ich denke mir, jedermann verzeiht es eher, nicht erkannt zu werden, wenn er eine Sonnenbrille aufhat!«
»Versteh ich nicht …», hauchte Micha entsetzt.
»Aber ich!« erklärte Henri ernst. »Sie wollte nicht anhalten und sich etwa in der prallen Helligkeit in Gespräche einlassen!«
»Sie wollte schon gestern nicht angegafft werden!« erinnerte sich Tati. »Deshalb sauste sie wie wild davon! Sie hat etwas zu verbergen!« dm Gegenteil …«, murmelte Superhirn. Aber die anderen wußten: Wenn der Spindeldürre in Rätseln sprach, war nichts Weiteres aus ihm herauszukriegen. So schwiegen sie.
»Auf zum nächsten Pferdehof!« rief er ablenkend.
Der Mietstall hinter der Küstenstraße von La Palmyre war von gewaltigen, langen Lebensbaumhecken eingefaßt. Zur ständigen Freude aller Ferienkinder nannte er sich: »Paradies der wiehernden Schimmel«, obwohl der einzige, wirklich weiße Vierbeiner – ein Hund war. Sonst gab es nur Graue, die allenfalls ein sehr gutwilliger Pferdenarr für weiß halten konnte. Auch Rappen waren in der Minderheit. Die meisten Pferde waren braun.
»Hallo, Gérard!« rief ein junger Bursche, als die Freunde von den Rädern sprangen. »Seit wann interessieren dich Reiterhöfe? Aber immer hereinspaziert! Auch deine Freunde sind willkommen! Schließlich hast du uns in Bonbourg einen tollen Sieg verschafft!«
Es stellte sich heraus, daß der junge Mann – er hieß Philippe Berger – der oberste Vorsitzende sämtlicher Sportklubs von Brossac-Centre und BrossacBaie war, Er organisierte nicht nur Reitveranstaltungen und Bootsrennen, er war auch zuständig für Fußball, Rugby, Boxen und – was in der Gegend eine ganz große Rolle spielte –
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