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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Allerdings hatte die Beschäftigung
mit den Übermenschen etwas Ungesundes, Zwanghaftes an sich. Es
war so, als kratzte man an einem Flohstich, bis er blutete: Ohne es
zu wollen, ertappte man sich dabei, dass man nicht mehr damit
aufhören konnte.
    Abschaum, dachte sie, als sie den ausführlichen
Bericht über Newpeace las. Wie sind sie damit durchgekommen?
Es ist die brillanteste, schrecklichste Sache, die mir seit Jahren
untergekommen ist. Im Vergleich dazu wirkten der imperiale
Größenwahn und die puritanische Frigidität der Neuen
Republik direkt gemütlich und entschuldbar. Sie halten
Seminare über die repressivsten Tyranneien der Geschichte ab
– damit sie wissen, welche von Nachsicht gespeisten Fehler sie
vermeiden müssen?
    Der Planet über ihr war als gewölbte, von Nebel
überzogene Scheibe mit dünner atmosphärischer
Hülle zu sehen. Sind sie darauf aus, auch diese Welt zu
erobern?, fragte sie sich. Überzeugt davon, dass ihre
Ideologie den einzig wahren Weg wies, wiesen die Übermenschen
alle Anzeichen eines aggressiven Ausdehnungsdrangs auf. Allerdings
musste die Tatsache, dass fast jede Welt, die als Angriffsziel in
Frage kam, über albtraumartige Abschreckwaffen verfügte und
ringsum Unterlichtgeschwindigkeitsbomber stationiert hatte,
irgendwelche galaktischen Eroberungsversuche als überaus riskant
und kaum durchführbar erscheinen lassen. In der Relation war das
so, als hätten sich die Imperialisten, die im neunzehnten
Jahrhundert zur Kolonialisierung anderer Länder ausgezogen
waren, plötzlich Verteidigern gegenübergesehen, die
über Raketen mit atomaren Sprengköpfen verfügten
– während sie selbst den Pazifischen Ozean in ihren
Nussschalen, in hölzernen Segelschiffen überqueren
mussten.
    »Also sind sie aus Tonto gekommen und haben einen klassischen
Aufstand nach den Regeln Maos und Fischers angezettelt. Ihre
Propagandisten waren Zombies mit Gehirnimplantaten, die von
irgendeinem Schlupfwinkel im selben Sonnensystem aus über
Kausalkanal gesteuert wurden«, schrieb sie als Anmerkung unter
einen haarsträubenden Bericht über die subversiven
Aktivitäten der Streitmacht zur Wiederherstellung von Ruhe und
Ordnung. Als Erstes hatten sie einen Aufstand von Terroristen
organisiert, um damit ein scharfes Vorgehen der Staatsmacht zu
rechtfertigen. Als Nächstes hatten sie den in Panik geratenen
politischen Amtsinhabern die Mittel und das ausgebildete Personal zur
Verfügung gestellt, den Aufstand niederzuschlagen. In der
dritten Phase hatten sie die einheimischen Politiker entmachtet und
den eigenen Einfluss gefestigt. »Hm.« Und wenn sie die
Machtergreifung sauber über die Bühne bringen, ehe
überhaupt jemand merkt, dass die Hälfte der von ihnen
eingesetzten Politiker hirnlose Marionetten sind, können sie die
Unterlichtgeschwindigkeitsbomber stilllegen, ehe sie ihnen
gefährlich werden. Das wiederum bedeutet, dass… He, haben
die wirklich eine Musterstrategie zur Eroberung fremder Planeten
entwickelt? Und falls ja, sind sie vor Tonto schon anderswo gewesen?
In diesem Fall…
    Der ganze Plan der Übermenschen lief darauf hinaus, das
Eschaton zu zerstören und durch einen anderen Gott zu ersetzen,
einen Gott, der Zugang zu den abgespeicherten Erinnerungen jedes
menschlichen Wesens hatte, das je gelebt hatte. Nach dem Bild dieses
neuen Gottes, dem die Übermenschen dienen wollten, sollte die
ganze Menschheit neu erschaffen werden. Das alles klang bei
flüchtiger Betrachtung derart lächerlich, dass man schnell
dazu neigte, es als hirnverbrannte Religion abzutun, die nur in der
Finsternis jenseits des irdischen Lichtkegels entstanden sein konnte.
Dennoch war etwas an dieser Sache dran, das Rachel eine
Gänsehaut verursachte. Ich hab schon früher von einer
solchen Geschichte gehört, anderswo. Aber wo?
    Während sie noch überlegte, wo das gewesen sein
könnte, schlug die Glocke mehrmals an. Nachdem sich die
Fahrstuhlkabine nochmals gedreht hatte, rückten glatte
Metallwände ins Blickfeld und glitten im Schneckentempo vorbei.
Noch ehe der Steward den Satz »Willkommen auf der orbitalen
Transferstation drei« vollendete, hatte sie ihren
Sicherheitsgurt gelöst. Als die Türen aufglitten, hatte sie
das Notebook bereits in einer Tasche verstaut, war aufgestanden und
bereit, ihr Gepäck an sich zu nehmen.
    Von der Raumstation empfing sie nur einen nebelhaften Eindruck:
Abflugsteige, eine Kontrollstelle des Zolls für Durchreisende
(deren Beamte sie mit Kratzfuß und Verbeugung

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