Supernova
stolperte
neben ihr her. Als ein Sanitäter ihr mit der Taschenlampe ins
Gesicht leuchtete, winkte sie ab: »Er ist derjenige, der Hilfe
braucht!«, rief sie und stützte den Clown so, dass er
aufrecht stehen konnte. Während ein Sanitäter Svengalis Arm
verband und seinen Schädel mit einem Terahertz-Scanner auf
Frakturen untersuchte, was ihr wie eine kleine Ewigkeit vorkam, blieb
sie neben ihm sitzen. Derweil verarztete ein anderer Sanitäter
ihre Stirnwunde.
Es fiel ihr schwer, den Überblick zu behalten. Sie wusste
nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie schließlich
aufstand. »Wir müssen zum Raumhafen«, erklärte
sie einem Polizeibeamten, der sie offenbar nicht verstand, obwohl
ihre Worte im Zeitlupentempo eines Albtraums herauskamen. »Unser
Schiff legt in wenigen Stunden ab…«
Immer wieder musste sie diesen Satz wiederholen. Warum musste sie
das nochmals und nochmals aufsagen? Offenbar hörte ihr niemand
zu. Lichter, Sirenen. Jetzt saß sie irgendwo, während
Lichter an ihr vorbeihuschten und von oben Sirenen zu hören
waren: Ich sitze in einem Polizeiwagen, wurde ihr wie durch
einen Nebel klar. Sie saß zwischen Svengali und Frank, der
schützend einen Arm um sie gelegt hatte. Aber wie war das
möglich, sie hatten doch gar nichts angestellt, oder? Waren sie
verhaftet? Wir werden den Flug verpassen…
»Da sind wir.« Die Tür wurde geöffnet. Nachdem
Frank ausgestiegen war, griff er nach Wednesdays Arm und half ihr aus
dem Wagen. »Wir halten die Kabine so lange auf, bis Sie
eingestiegen sind – hier entlang.« Und die Polizisten
hielten ihr Wort. Während sie sich auf Frank stützte,
spürte sie Tränen der Erleichterung kommen, die sie kaum
zurückhalten konnte. Svengali ging hinter ihr, gemeinsam mit
weiteren Passagieren, die zwei Polizeiwagen entstiegen waren. Die
Polizei half den Besuchern von anderen Welten dabei, diese Welt
wieder zu verlassen. Echte Vorzugsbehandlung. Warum?, fragte
sie sich beiläufig. Nach kurzem Nachdenken kam sie darauf: Die Polizei tut ihr Bestes, um vor den Diplomaten
Hilfsbereitschaft zu demonstrieren…
Als die Magnetschwebebahn beim Aufstieg zum Orbit sechzig
Kilometer oberhalb des Äquators von Unterschallgeschwindigkeit
auf volles Tempo beschleunigte, setzte bei Wednesday langsam wieder
der Verstand ein. »Wie fühlst du dich?«, fragte sie
Frank. Wegen des Summens in ihren Ohren kam ihr die eigene Stimme
weit entfernt und flach vor.
»Scheiße.« Er verzog das Gesicht. Sein Kopf war so
bandagiert, dass er einem transparenten bläulichen
Schildkrötenpanzer ähnelte, und er wirkte benebelt –
Folge der Schmerzmittel, die man ihm verabreicht hatte. »Soll
mich oben sofort auf der Krankenstation melden, haben die
gesagt.« Besorgt sah er sie an. »Hast du gerade was
gesagt?«
»Nein.«
»Ich höre nämlich kaum noch was, du musst sehr laut
mit mir reden.«
»Was ist mit Sven?«
Svengali, der auf der anderen Seite neben Frank saß,
übernahm die Antwort selbst. »Irgendjemand hat versucht,
die Botschafterin umzubringen«, sagte er langsam. »Die
Dresdner Regierung hat sich vor Angst um ihren Ruf schier in die Hose
gemacht. Ich hab keine Ahnung, warum sie uns haben ziehen
lassen…«
»Das haben wir nur dir zu verdanken, Wednesday«, sagte
Frank mit flacher Stimme. »Weil du immer noch die
Staatsbürgerschaft Moskaus besitzt. Ist doch so, oder
nicht?«
»Ja.« Wednesday nickte unsicher. »Was das auch
heißen mag…«
»Deswegen also.« Frank nickte müde. »Sie haben
angenommen, das müsste auch auf deine Gäste zutreffen. Da
das Computernetz der Botschaft abgestürzt war und sie nur nach
den Pässen gehen konnten, die an den Wohnorten der Gäste
ausgestellt worden sind… Du reist mit einem Septagon-Ausweis,
bist dort aber noch nicht eingebürgert, oder?«
»Oh.« Als Wednesday langsam den Kopf schüttelte,
beschwerten sich ihre Nackenmuskeln wegen der ungewohnten
Raumschwere. »Oh! – Wer könnte hinter dem Anschlag
stecken?«, fragte sie zögernd. »Ich dachte, du
hättest gesagt, meine Verfolger…« Sie kniff die Augen
zusammen.
»Wer verfolgt Sie denn?«, fragte Svengali sichtlich
verwirrt.
»Ich war mir sogar sicher.« Frank wirkte
frustriert. »Wegen der Alarmstufe. Deswegen haben die ja auch
die Interviews mit mir abgesagt. Während unseres Aufenthalts in
Neu-Dresden war das tatsächlich der einzige öffentliche
Auftritt der Botschafterin. Ist dir auch aufgefallen, dass sie
überhaupt nicht nach draußen gegangen ist? Dass sie nicht
einmal
Weitere Kostenlose Bücher