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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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aufragenden
Radspeichen der Raumstation hinüber, bereit, den zweiten Teil
ihres Plans in die Tat umzusetzen.
    Genau in dem Moment, als ihr Warnmelder aufleuchtete und sich vor
ihrer Infrarotbrille eine Tür abzeichnete, die gerade
aufgegangen war, traf irgendetwas ihren linken Arm. Es war so, als
hätte ein Passant nicht aufgepasst und ihr aus Versehen einen
unsanften Stoß versetzt. Steffi reagierte instinktiv und
ließ ihre kleine Maschinenpistole sprechen. Aufgrund der
ablenkenden Coriolis-Kraft beschrieben die Geschosse eine
verrückte Kurve und bewegten sich in Spiralen auf ihr Ziel zu,
da die Patronen von sich aus den Zentrifugaleffekt auszugleichen
versuchten und dabei zu viel des Guten taten. Eine weitere Kugel
zischte durch die Luft, in die Richtung, wo vor nicht einmal einer
Sekunde ihr Kopf gewesen war. Gleich darauf brach ihr Gegner
zusammen.
    So schnell sie konnte, rannte Steffi auf die turmhohe Radspeiche
zu, aber irgendetwas war faul: Sie fühlte sich so, als schleppte
sie zu viel Gewicht mit sich herum, und als sie nachzuladen
versuchte, baumelte ihr linker Arm herab und versagte ihr den
Dienst.
    »Mist.« Mit klopfendem Herzen kauerte sie sich im
Eingang nieder und schnappte in der eisigen Kälte mühsam
nach Luft. Und jetzt setzte auch der Schmerz ein, kam in so starken
Wellen, dass sie fast das Bewusstsein verloren hätte. Ihre linke
Hand fühlte sich klebrig an. Sie legte die Maschinenpistole auf
den Boden und tastete mit einer Hand nach den Packungen mit den
schmerzbetäubenden Gels, die das Füllhorn auf ihren Befehl
hin ausgespuckt hatte. »Ist nur eine Fleischwunde«, sagte
sie sich, während ihre Zähne aufeinander schlugen.
»Ist nur…«
    Als sie das Gel auf die Wunde gab, sah sie einen Augenblick lang
alles grau in grau und grobkörnig. Kurz darauf ebbte der Schmerz
zwar kaum ab, begann sich aber so zu normalisieren, dass er sie nicht
mehr an den Rand einer Ohnmacht brachte und auszuhalten war. Keuchend
lehnte sich Steffi gegen die Wand und hob die Waffe wieder auf. Wenn ich hier bleibe, werden sie meine Wärmespur ausmachen
können. Außerdem…
    Zwei, eins, null: Der Countdown hörte auf. Aus der
Umgebung der Sicherungstüren drang ein Lärm, als
hätten eine Million Dampfkessel gleichzeitig den Siedepunkt
erreicht. Steffi zuckte zusammen, als ihre Trommelfelle ein-, zweimal
heftig pulsierten - dann krachten die Sicherungstüren der
Raumstation mit gewaltigem Lärm auf die Stelle herunter, von der
sich der Andocktunnel der Romanow gerade gelöst
hatte.
    Jetzt hab ich euch, ihr Mistkerle!, dachte sie; allerdings
raubten ihr die Schmerzen und die Erschöpfung jegliches
Hochgefühl. Und als Nächstes wollen wir mal sehen, wie
akkurat dieser Grundriss ist.

 
    Als ein schwaches Vibrieren durch das Deck lief, sah Hoechst einen
Augenblick unsicher aus. »Die Passagiere sind alle in der
Zollhalle«, sagte sie und sah Franz an. »Warum gehen Sie
nicht…«
    Frank war abgelenkt. Er blickte zur Seite, auf Wednesday, und
setzte sich auf. »Was hast du…«
    Wednesday zog einen Plastikbehälter aus der Tasche und hielt
ihn Hoechst hin. »Viel Spaß damit.« In ihrer Stimme
schwang Zorn mit – und noch etwas anderes, wie Triumph. Das
brachte Frank dazu, sich zu Boden zu werfen und schützend die
Hände vor die Augen zu halten, als sie den Behälter zum
Schreibtisch hinüberwarf…
    Etwas Blaues blitzte grell auf, gleichzeitig war ein lauter Schlag
zu hören.
    Wednesday war schon auf dem halben Weg zur Tür, als eine
heiße, feuchte Welle über Franks Kopf hinwegschwappte.
Gleich darauf erstarrte die Masse. Der Aerogel-Schaum gerann zu einem
feinen Netz aus Sprühnebel, dessen messerscharfe Ränder
hart wie Glas waren. Irgendjemand, der sich innerhalb der Nebelbank
befand, hustete und gurgelte. Der im Zimmer verbliebene Wachposten
verschwand im Nebel und versuchte verzweifelt, sich zu Hoechst
durchzukämpfen, erstickte jedoch fast in dem schwammartigen
Dunst, den der Nebelwerfer erzeugt hatte.
    Während sich Frank auf den Rücken wälzte, nahm er
ein verwirrendes Kaleidoskop von Eindrücken in sich auf.
Irgendjemand, der im Nebel nicht zu erkennen war, huschte an seinem
Gesicht vorbei. Es summte und klapperte so laut, dass es ihn halb
wahnsinnig machte. Am Rande seines Blickfeldes konnte er vage dunkle
Gestalten ausmachen, die sich umwandten und zu Boden sanken. Ein
Schrei war zu hören, der plötzlich abbrach; ein Gurgeln aus
Richtung der Nebelbank; ein schmerzhaft lauter Schlag, als

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