Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
Vom Netzwerk:
aus, als wäre jemand über sein Grab gegangen.
»Was wird sie jetzt unternehmen?«
    »Oh, Scheiße.« Martin, der so taumelte, als
wäre er betrunken, kämpfte sich hoch. »Wir müssen
ins Kommunikationszentrum. Franz, können Sie die Leute, die dort
Wache stehen, dazu überreden, Sie hineinzulassen?«
    »Ich kann’s versuchen.« Franz sah ihn an.
»Kann ich mich darauf verlassen, dass Sie meinen Antrag auf
politisches Asyl unterstützen, wenn ich Ihnen bei dieser Sache
zur Seite stehe? Und mir dabei helfen, einen Körper für
einen der Menschen zu beschaffen, deren Hirne unfreiwillig im
Diamanten abgespeichert wurden – in dem Diamanten, den er bei
sich hat?« Er deutete mit dem Kinn auf Frank.
    »Sie wollen… okay, ja. Ich denke schon, dass ich Ihnen
politisches Asyl verschaffen kann. Auf der Erde müssen Sie sich
wegen der Übermenschen keine Sorgen machen. Es wird noch geraume
Zeit dauern, bis sie uns ins Visier nehmen.« Immer noch
keuchend, stand Rachel auf. Ihr Gesicht war hochrot, als wäre
sie einen Marathon gelaufen. »Militärisches Vitamin
B«, sagte sie und schaffte es, leicht verkrampft zu
lächeln, als Frank sich ihr zuwandte. »Hoffe nur, dass die
Systeme im Kommunikationszentrum derzeit abgeschaltet
sind…«
    »Unfreiwillig abgespeichert?«, fuhr Frank dazwischen.
»Wären diese Menschen geeignete Zeugen für die,
äh, Exzesse, die sie zu verantworten hat?« Er ließ
die Fingerknöchel knacken.
    »Ich denke schon«, sagte Franz mehr oder weniger
geistesabwesend. »Das Kommunikationszentrum muss eigentlich noch
funktionieren, oder? Wegen der Evakuierung damals.« Er sah
prüfend zu der Wand aus blauem Schaum hinüber, die den
Ausgang blockierte, durch den Wednesday geflohen war. »Wegen der
Fernsteuerung beim Ablegen damals und der Betriebsbereitschaft im
Fall, dass Schiffe wie die Romanow hier anlegen.«
    »Wissen wir denn überhaupt, wo es sich befindet?«,
fragte Frank.
    »Soweit ich weiß, läuft uns die Einzige, die sich
mit dem Grundriss der Raumstation auskennt, gerade davon. Und sie hat
einen der beiden Schlüssel dabei, die man braucht, um jeden auf
Newpeace umzubringen.« Franz legte vorsichtig die Hand auf einen
Stalagmiten aus Schaum, zerrte daran und zuckte zurück: Als er
seine Handfläche davon löste, war sie rot. »Ich
schlage vor, wir lassen uns was einfallen, um dorthin zu
gelangen.«
    »Schicken Sie ihr eine Mail«, schlug Frank Rachel
vor.
    Sie überlegte kurz. »Jetzt noch nicht. Aber sie hat uns
eine Kopie des örtlichen Netzes gesendet…«
    Er drehte an seinen Ringen. »Ja, hier ist eine Online-Karte,
also los. Ich hoffe nur, dass ihr nichts passiert ist.«

 
    Das Kommunikationszentrum der Raumstation war ein
weitläufiger, halbrunder Raum, der sich zwei Stockwerke
unterhalb des Büros des Stationsleiters befand. Zwei
Schreibtische in Hufeisenform samt Bürostühlen boten eine
Arbeitsfläche für jeweils drei Personen. Eine Hälfte
der Wand nahm eine systematische grafische Darstellung ein, die die
Langwellenverbindungen zeigte, aus denen Moskaus internes Netz von
Kausalkanälen bestand. Internes Netz war ein wenig
untertrieben: Alt-Neufundland und einige andere Raumstationen lagen
in Wirklichkeit Lichtjahre von der Oort-Wolke des Systems entfernt,
und das Netz zeigte auch die interstellaren Kanäle, die
über den Abgrund von Parsecs hinweg bis zu Nachbarwelten
reichten. Außerdem konnte man das Kontrollzentrum kaum als
Mittelpunkt des Kommunikationssystems bezeichnen. Das wirklich
Wichtige spielte sich größtenteils ein Stockwerk tiefer in
einem verschlossenen Bedienungsraum voller stummer Gerätschaften
ab. Aber das Management der Menschen verlangte eine Hierarchie der
Kontrolle, und von diesem Nervenzentrum aus konnte man blitzschnell
Nachrichten quer durch den galaktischen Raum verschicken, Anfragen an
die Heimatwelt richten und sogar der Hotline des Abwehrnetzes
TALIGENT Anweisungen übermitteln.
    Die flache Wand gegenüber der leicht gekrümmten
Systemdarstellung bestand aus massivem Diamantglas, dessen dreifach
verstärkte Scheiben Schutz vor der eisigen Kälte des
Vakuums boten. In die Wand einer Radspeiche der Raumstation
eingelassen, gewährte dieses Fenster Ausblick auf die
Unendlichkeit. Draußen kreiste die Leere, ein Unheil
verkündender rötlich-violetter Ring aus Rauch, der den
halben Himmel einnahm.
    Als die Station geräumt worden war, hatte man das
Kommunikationszentrum wohl geordnet zurückgelassen. Hier
herrschte noch pechschwarze Nacht, und es war

Weitere Kostenlose Bücher