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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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nützlicher
aussah.
    Draußen vor der Tür tapsten Pfoten über den
Fußboden, die gleich darauf innehielten.

 
    Einschlag: T plus 1392 Tage, 17 Stunden, 30 Minuten
     
    »Was meinen Sie damit, dass sie verschwunden ist?«,
fragte Wachtmeister Ito gereizt. »Können Sie Ihre Kinder
denn nicht beaufsichtigen…«
    Der große Mann mit den hängenden Schultern fuhr sich
durch das schüttere Haar. »Wenn Sie Kinder
hätten… Nein, tut mir Leid. Sie ist nicht hier, verstehen
Sie. Ich weiß, dass sie einen Bordpass hat, weil ich ihr das
Schild selbst an die Jacke geheftet habe. Aber sie ist nicht hier,
und ich fürchte, dass sie vielleicht nach Hause
zurückgekehrt sein könnte oder so.«
    »Nach Hause?« Ito schob sein Visier hoch und starrte den
besorgten Vater an. »So dumm kann sie doch wohl nicht sein, oder
doch?«
    »Kinder!« Es kam wie ein Fluch heraus, auch wenn es
nicht so gemeint war. »Nein, ich glaube nicht, dass sie so dumm
ist. Aber sie ist auch nicht auf dem Schiff, zumindest sind ihre
Implantate ausgeschaltet – Wachtmeister Klein hat vor einer
Stunde ein Funksignal nach ihr ausgeschickt. Und heute Morgen wirkte
sie wegen irgendetwas recht bedrückt.«
    »So ein Mist. Implantate, wie? Ich werde eine Mitteilung
herausgeben, in Ordnung? Im Augenblick spielt hier alles
verrückt. Können Sie sich überhaupt vorstellen, was es
heißt, wenn man fünfzehntausend Menschen umzusiedeln
versucht? Wahrscheinlich wird sie irgendwo auftauchen, wo sie nicht
hingehört, in den Diensträumen der Besatzung oder so.
Vielleicht hat sie sich aus Spaß an der Freud ja auch für
eine Reise auf Sikorsky’s Dream entschieden, kurz ehe das
Schiff abgelegt hat. Sie wird schon auftauchen, das verspreche ich
Ihnen. Ihre vollständigen Personalien, bitte?«
    »Victoria Strowger. Sechzehn Jahre alt. Ausweis drei, auf
diesen Namen ausgestellt.«
    »Aha, in Ordnung.« Ito vollführte mit den Ringen an
seiner rechten Hand eine Reihe von seltsamen Gesten, um die
Personalien ins Datennetz der Polizei einzugeben und mit anderen
Daten abzugleichen. »Okay, falls sie sich irgendwo auf dieser
Müllhalde befindet, müsste man sie auf dieser Grundlage
aufspüren können. Falls nicht, weiten wir die Suche in etwa
zehn Minuten zu einer allgemeinen Fahndung aus. Wenn Sie mich bis
dahin entschuldigen würden…«
    »Selbstverständlich.« Morris Strowger trat vom
Schreibtisch des Wachtmeisters zurück. »Wahrscheinlich hat
sie ihr Schild mit dem Bordpass einfach ins Klo geworfen«,
murmelte er vor sich hin. Hinter ihm beschwerte sich die Nächste
in der Schlange, eine ältere Frau, beim Wachtmeister über
die Enge ihres Wohnmoduls: Sie wollte einfach nicht glauben, dass ihr
Apartment – eine für einen Menschen berechnete Zelle
innerhalb einer fünftausend Personen fassenden Wabe von
Flüchtlingsquartieren, die an den Laderaum des Neu-Dresdner
Frachters Long March angehängt war – alles war, was
man ihr oder sonst jemandem bis zur Ankunft im nächstgelegenen
Septagon-System zuzuteilen gedachte. Die Umsiedlung kostete nichts,
sie wurde großzügigerweise von der (neuen) Regierung
Neu-Dresdens beziehungsweise aus dem verbliebenen
Handelsüberschuss der Republik Moskau bezahlt, aber die Kabinen
ähnelten nicht gerade der Präsidentensuite auf einem
Luxusdampfer. Ich hoffe nur, dass Vicki das Versteckspiel bald
satt hat. Vielleicht wird’s ihr ganz gut tun, wenn es die
Polizei ist, die sie aufspürt und anschließend einbuchtet.
Das wird sie lehren, mitten in einer Notsituation nicht noch
zusätzliche Probleme zu schaffen…

 
    Einschlag: T plus 1390 Tage
     
    Stellen Sie sich ein Mädchen mit bleicher Haut, kurz
geschnittenem, wirrem schwarzem Haar und hellblauen Augen vor: Ist es
eine Ausreißerin? Oder gar ein Teufelsbraten? Wednesday,
außerordentlich klug für ihr Alter, hatte etwas von einer
Einzelgängerin an sich. Ihre Eltern hatten das Kind geplant und
ein vernünftiges Maß pränataler genetischer Verfahren
dazu genutzt, um ernsthaftere Schäden bei ihrem Baby
ausschließen zu können. Sie hatten die teuersten
Interface-Implantate gekauft, die sie bekommen konnten: Importe vom
Septagon, denn sie wollten nur das Beste für ihr Kind. Sie war
noch nicht einmal siebzehn und schlecht drauf, denn sie machte gerade
eine der üblichen »Phasen« durch. Weigerte sich,
irgendetwas anderes als schwarze Klamotten anzuziehen, verbrachte
ihre Freizeit damit, in seltsamen Versorgungsschächten
herumzuschnüffeln, und züchtete in ihrem Zimmer

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