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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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das
Dienstmädchen im Haushalt zu schaffen versuchte, durcheinander
zu bringen: In der Mitte des antiken Esstisches hatte er einen
komplexen Staubfänger aus knallbunten Schneeflocken aufgebaut,
die mit Solarzellen ausgestattet waren. In der Regel bestand
Wednesdays Vater darauf, dass sie sich zu den offiziellen Mahlzeiten
um diesen Esstisch versammelten.
    Als sie die Tür aufmachte, bewegte sich der Staubfänger
in ihre Richtung. Ihr Vater hatte sich gerade eine Wandprojektion
angesehen, die keinen interaktiven Modus hatte. Während er sich
nach ihr umdrehte, fror das Bild ein. Die uralten Avatare wirkten auf
dieser Projektion, die räumliche Tiefe suggerierte und die
Perspektive verzerrte, unglaublich geschmeidig und glänzend.
»Was hast du da an?«, fragte ihr Vater müde.
    »Sammy gibt heute Abend eine Party«, erwiderte sie
gereizt. (Fast hätte sie noch hinzugefügt: Warum geht
ihr eigentlich nie aus?!, aber sie schluckte die Bemerkung im
letzten Moment hinunter.) »Ich gehe mit Alys und Mira hin.«
Was eine Notlüge war: Sie selbst redete nicht mit Myra, und Alys
redete nicht mit ihr, aber immerhin würden sie beide da sein.
Und war es wirklich so wichtig, mit wem sie zur Party ging, wenn sie
für den Weg nur zehn Minuten brauchte und sowieso die ganze
Nacht fortbleiben würde? »Der erste Ausgang mit meinen
neuen Stiefeln!«
    Dad seufzte. Mit seiner käsigen Haut und den tiefen Ringen
unter den Augen sah er gar nicht gesund aus. Er befasste sich zu viel
mit seinen Studien. Studien, Studien, Studien – niemals
schien er etwas anderes zu treiben, hockte nur wie eine
verrückte alte Eule da oben über der Küche. Offenbar
halfen ihm auch keine smarten Drogen dabei, sich den ganzen Stoff
einzuverleiben, er hatte echt Probleme damit. »Ich hatte
gehofft, wir könnten uns ein bisschen unterhalten«, sagte
er erschöpft. »Wirst du lange wegbleiben?«
    »Die ganze Nacht.« Leichte Vorfreude brachte sie dazu,
mit den Zehen zu wippen und über den Fußboden zu scharren.
Es waren bemerkenswert schöne Stiefel, glänzende schwarze
Schnürstiefel mit hohen Absätzen, in Silber eingefasst. Sie
hatte das Design in einem Archiv für historische Kostüme
aufgestöbert und fast einen ganzen Tag dazu gebraucht, die
häusliche Anlage auf die Produktion dieses Modells zu
programmieren. Ihrem Vater würde sie nicht erzählen, wie
teuer das Material gewesen war. Es war echtes gegerbtes Leder und sah
aus, als sei es aus der Haut einer toten Kuh gemacht. Manche Leute
ekelten sich, wenn man ihnen sagte, was man da trug. »Ich tanze
gern«, sagte sie, und auch das war eine kleine Notlüge;
aber Dad hegte offenbar immer noch eine Wunschvorstellung von
väterlicher Autorität, und sie wollte ihn nicht auf die
Idee bringen, ihr womöglich Hausarrest zu geben. Also war es
wohl das Beste, unschuldig vor sich hin zu plappern.
    »Hm.« Morris, der besorgt wirkte, wandte den Blick ab
und stand auf. »Duldet keinen Aufschub«, murmelte er.
»Deine Mutter und ich sind morgen den ganzen Tag unterwegs.
– Willst du dich setzen?«
    »In Ordnung.« Wednesday zog einen der
Esstischstühle heran, nahm rittlings darauf Platz und
verschränkte die Arme über der Lehne. »Um was
geht’s?«
    »Wir, das heißt deine Mutter und ich,
äh…«, fing er nervös an, »… äh,
wir machen uns Sorgen um dich.«
    »Oh, wirklich?« Wednesday schnitt eine Grimasse in seine
Richtung. »Ich kann schon auf mich selbst aufpassen.«
    »Aber kannst du auch…« Er riss sich zusammen,
offenbar darum bemüht, irgendetwas lieber nicht herauszulassen.
»Dein Schulzeugnis«, brachte er schließlich
hervor.
    »Ja, und?« Ihr Gesicht erstarrte in böser
Vorahnung.
    »Nach dem, was dein Lehrer Talleyrand berichtet, kommst du
nicht gut mit den anderen Kindern aus. Also, die Leute, äh, vom
Sozialausschuss der Schule machen sich Sorgen um das, was sie deine kulturelle Integration nennen.«
    »Oh, das ist ja wirklich großartig!«, schnappte
sie. »Ich hab doch…« Sie führte nichts weiter
aus, sondern sagte hastig und mit schwankender Stimme: »Ich gehe
jetzt!« Ehe er irgendetwas erwidern konnte, stand sie auf.
    »Irgendwann werden wir darüber reden müssen«,
rief er ihr nach und versuchte erst gar nicht, ihr hinterher zu
gehen. »Du kannst nicht immer und ewig davor
davonlaufen!«
    Doch, kann ich, das wirst du schon sehen. Mit drei
Sätzen war sie an der Küchentür vorbei; ein weiterer
Hüpfer und ein Sprung - bei dem sie in diesen neuen Stiefeln
einen verknacksten

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