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Supernova

Supernova

Titel: Supernova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Leitungsebene,
der ein ganzer Planet unterstand. Sie musste ihre Karten nur richtig
ausspielen. Der Gedanke erregte sie fast sexuell: Dann kann mir
niemand mehr an den Karren fahren! Kontrolle über den ganzen
Apparat… Ehe diese Vorstellung in ihrem Kopf konkrete Gestalt
annehmen konnte, verwarf sie sie gleich wieder. Eines nach dem
anderen. Sowieso würde sie einen hohen Preis für eine
solche Beförderung zahlen müssen: Blumlein würde stark
versucht sein, sie exekutieren zu lassen, ehe sie sich zu einer
Bedrohung für ihn selbst auswachsen konnte.
    Sie riss sich zusammen, nickte leicht und griff nach ihrem Glas.
»Zunächst würde ich mir die Sicherheit verschaffen
müssen, dass das Direktorat mich dazu autorisiert«, begann
sie und vermied den Blick zur Bühne. »Sobald das
geklärt ist, würde ich U. Scotts Plan im Großen und
Ganzen folgen. Allerdings würde ich die Entwicklungen
persönlich und vor Ort überwachen, anstatt die Leitung
irgendeiner zusätzlichen untergeordneten Ebene anzuvertrauen.
Denn meiner Meinung nach kann man eine Aktion nicht richtig im Griff
behalten, wenn man versucht, sie aus der Ferne zu steuern. Jede
untergeordnete Führungsebene, der man Entscheidungen anvertraut,
bringt Verzögerungen und zusätzliche Fehlerquellen mit
sich. Und bei diesem Plan gibt es sowieso allzu viele
Eventualitäten. Also darf man die Leitung niemals einer
untergeordneten Marionette anvertrauen, die keinen Überblick
über das große Ganze hat. Außerdem würde ich
meine Angriffe auf ein anderes Ziel ausrichten, als Scott es
vorgesehen hatte – auf ein Ziel, das man, äh, leichter
akzeptieren würde…«

 
party girl
     
    Centris Magna war eine langweilige, durchschnittliche
Asteroidenkolonie mit traditioneller Bauweise, die sich nicht auf
Schwerkraftgeneratoren stützte. Irgendwo in Septagons viertem
innerem Gürtel von Raumtrümmern drehte sich innerhalb eines
ausgekernten kohlehaltigen Meteoriten eine Diamantröhre, die
fünfzig Kilometer an der Hauptachse entlangführte und deren
Durchmesser acht Kilometer betrug. Das Herz der Siedlung bestand aus
Versorgungseinrichtungen, während die äußeren Ebenen
mit höherer Schwerkraft vor allem als Parklandschaften und
Erholungszonen genutzt wurden. Die mehrstöckigen
Unterkünfte der Siedler befanden sich in den Zylindern mit
mittlerer Schwerkraft. Es war ein Muster, das sich quer durch die
Systeme Septagons zog und endlos wiederholte, auch bei den Hunderten
von kleinen Welten des Gemeinwesens, das den größten Teil
der Moskauer Flüchtlinge aufgenommen hatte. Drei Jahre nach
ihrer Ankunft war Wednesday so weit, dass sie diese kleine Welt und
die zermürbende Armut, die ihr tagtäglich unter die Nase
gerieben wurde, von Herzen hasste.
    »Wednesday?« Die angelehnte Tür ihres Schlafzimmers
dämpfte die Stimme ihres Vaters. Falls sie die Tür ganz
zuzog, würde sie die Stimme ganz aussperren können. Aber
wenn sie das tat…
    »Wednesday, wo steckst du?«
    Während sie sich vor Konzentration auf die Zunge biss, band
sie sich die Schnürsenkel zu, bis die Stiefel perfekt
saßen. Fertig. Sie stand auf. Stiefel, neue Stiefel, die
fast bis zum Knie reichten und wie schwarze Spiegel über ihren
hautengen Leggings aus geklontem Pantherfell glänzten.
»Hier, Dad.« Sollte er sie doch holen kommen. Ein letzter
Blick ins Fenster, das auf Spiegel-Modus geschaltet war,
bestätigte ihr, dass ihre Farbmuster richtig eingestellt waren:
blutrote Lippen, leichenblasse Haut, glattes schwarzes Haar. Sie
griff nach ihrer Jacke und strich darüber, um sie zu aktivieren.
Danach streckte sie die Arme aus und wartete, bis sie sich richtig um
sie legte und sie an Ellbogen und Schultern fest umschloss. Fast
fertig…
    »Wednesday! Komm her!«
    Sie seufzte. »Komm ja schon«, rief sie und sagte leise
»Tschüss, Zimmer« vor sich hin.
    »Auf Wiedersehen«, erwiderte das Schlafzimmer und dimmte
die Lampen ab, als sie die Tür aufmachte und auf das Wohnzimmer
zuging, in dem Dad vermutlich auf sie wartete. In ihren neuen
Stiefeln kam sie sich groß und leicht wackelig vor.
    Morris hielt sich, wie erwartet, im Hauptraum der Wohnung auf. Es
war ein großer, offener Wohntrakt, den sie nicht zuletzt als
Esszimmer nutzten; im Halbgeschoss darüber war das Büro
ihres Vaters untergebracht, sodass er von dort aus auf die
verstreuten Stühle und das übrige Inventar des
gemeinschaftlichen Wohnbereichs hinuntersehen konnte. Jeremy hatte
sich wieder einmal bemüht, die Ordnung, die

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