Supervision - Grundlagen, Techniken, Perspektiven
erlebt er von seinem Platz aus die Situation?â
(2) âWie fühlt der Helfer; steht er vielleicht mit unbemerkten Empfindungen, Reizbarkeiten, Vorurteilen, sentimentalen Wallungen sich selbst im Weg? Immer bezieht sich das Gespräch auf den praktischen âFallâ, immer fragt es nach dem Fühlen und der Haltung der beteiligten Menschenâ (Hapke 1952, S. 2).
Die Beratungspraxis in der Supervision wurde schon damals von Hapke in einer Weise interpretiert, die wir heute in der Wissenschaft
hermeneutisches Verfahren
oder
Fallanalyse
nennen. Denn die Prozesse in der Supervision lassen sich (wie diejenigen in der Psychotherapie) wissenschaftlich schwer beschreiben. Der Supervisor âversucht zu hören, was nicht gesagt, was verschwiegen, was als selbstverständlich vorausgesetztwird. Daraus erwächst für das Gespräch ein Thema. Die Form der Gesprächsführung ist weitgehend die weckende Frage, client-centered, immer im Hören auf das mutmaÃliche Fühlen des anderenâ. Schon damals konnte Supervision leichter als das definiert werden, was sie
nicht
ist: âSupervision ist nicht Seelsorge und nicht Psychotherapie, so dicht oft die Nachbarschaft werden mag. Das Bezogenbleiben auf den Fall ist Schutz gegen eine Ausweitung, die die Supervision sprengen müsste. Den Abschluss des Gesprächs bildet die Frage nach dem ânächsten Schrittââ (S. 4). Hier haben wir es mit der wohl frühesten und immer noch gültigen Abgrenzung von Supervision zur Psychotherapie zu tun:
Berufsbezogenheit
und
Fallorientierung
. Mit Hilfe der Supervision sollten die Sozialarbeiter zu einem professionellen Verhältnis ihren Klienten gegenüber gelangen, also die âEntprivatisierung der Beziehung zum Klientenâ betreiben. Wer berufliche Aufgaben und private Bedürfnisse zu sehr durcheinander bringt, wird rasch an seine Grenzen stoÃen (S. 62). Wenn man an der Lösung des anstehenden Falles bleibt und sich dabei auf Gegenwart und nahe Zukunft bezieht, so vermeidet man ein Abgleiten in die Vergangenheit. Die Vermeidung von Themen, die sich sowohl auf den privaten Bereich als auch auf die Vergangenheit beziehen, schützt gleichzeitig vor einer Grenzüberschreitung in den Bereich der Psychotherapie.
So weit ein kurzer Einblick in eine frühe und immer noch gültige Beschreibung dessen, was in der Supervision geschehen kann. Wie ging es weiter mit der Supervision in Deutschland? In der Zeit nach 1960 konnte sich die Supervision an den damaligen Wohlfahrtsschulen, die für die Sozialarbeiterausbildung zuständig waren, etablieren. Es gab damals ungefähr 200 Supervisoren, die meistens als Praxislehrer in der Sozialarbeiterausbildung beschäftigt waren. Dabei wollte man den amerikanischen Begriff âSupervisionâ vermeiden und sprach eher von
Praxisanleitung
(bei Studenten) bzw.
Praxisberatung
(bei Berufstätigen). Seit Anfang der Siebzigerjahre kam die Ausbildung für die Sozialberufe an die Fachhochschulen. Dort jedoch fand die Supervision weniger Platz in den Lehrplänen. Sie wirdseitdem vorwiegend von Weiterbildungseinrichtungen der Jugendhilfe- und Wohlfahrtsverbände sowie von Ablegern psychotherapeutischer Ausbildungsstätten angeboten. Daneben gibt es an einigen Fachhochschulen und Universitäten den Aufbaustudiengang Diplom-Supervision. Alle diese Ausbildungsstätten gründeten im Jahre 1989 die âDeutsche Gesellschaft für Supervisionâ (DGSv.), der inzwischen über 30 anerkannte Institutionen und 4000 Einzelmitglieder angehören.
Mit der Verlagerung der Supervision aus den Wohlfahrtsschulen, also weg von der Sozialarbeit, sowie der Hinwendung zu bekannten Richtungen von Beratung und Psychotherapie ist gleichzeitig eine neue Wissenschaft und Praxis von Beratung entstanden. Diese hat folgende Merkmale:
Akademisierung:
An der Universität Kassel/Gesamthochschule hat man schon im Jahre 1975 den ersten Studiengang âDiplom-Supervisionâ eingerichtet; andere Hochschulen (z.B. Hannover, Freiburg, Amsterdam) folgten. Inzwischen existieren mehrere Professuren für Supervision. Seit über einem Vierteljahrhundert kann man an verschiedenen deutschen Hochschulen oft berufsbegleitend den akademischen Grad eines Diplom-Supervisors bzw. Masters erwerben.
Verwissenschaftlichung
: Seit 1982 gibt es in Deutschland die Fachzeitschrift âSupervisionâ. (Erst ein Jahr später startete
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