Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Surf

Surf

Titel: Surf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Duane
Vom Netzwerk:
Augenblick lang gleich alt sein können; und ich habe tatsächlich seine Nase und seine Augen, die gleichen zusammengezogenen Brauen beim Lesen. Dad hasste den Militärdienst, und immer noch schleicht sich eine überraschende Bitterkeit in seine Stimme, wenn das Thema aufkommt, aber es hätte schlimmer kommen können: Ein paar Jahre früher wäre er nach Korea eingezogen worden, ein paar Jahre später nach Vietnam. Außerdem hat er ziemlich viel von der Welt gesehen, ohne einen Menschen töten zu müssen. Er leistete seinen Militärdienst als Fluglotse ab und wurde in Europa ausgemustert. Bald darauf kehrte er in die USA zurück, um Jura zu studieren, und lernte meine Mutter kennen. Aber er wuchs am Strand eines ganz anderen Los Angeles auf – Santa Monica und Hollywood waren tatsächlich noch getrennte Städte, in Orange County gab es wirklich Orangenplantagen –, und er hatte eine Mutter, die ganz offen ihre Meinung sagte. Großmutter Duane war eine fröhliche New Yorkerin irischer Abstammung mit explosivem Humor, die in einer Hinsicht ganz fest blieb: «Die Männer aus unserer Familie gehen zur Marine.» Sein Vater war nicht zur Marine gegangen, was Dad zweifellos wunderte. Doch irgendwie ging es darum nicht, oder vielleicht eben doch.
    Dad und seine jüngeren Brüder surften und bodysurften in ihrer Jugend, aber dann sagte er dem Strandleben ade, um aufs College zu gehen und zur See zu fahren. Wenn irgendjemand dafür verantwortlich ist, dass ich vom Wasser und der Freiheit, es zu genießen, besessen bin, dann mein Vater: Er liebte Steppenwolf-Geschichten, Erzählungen über Männer, die sich von der Herde entfernten. Zum Beispiel die Geschichte über den befreundeten Rechtsanwalt, der seine Kanzlei, die auf Berufungsverfahren beim obersten Bundesgericht spezialisiert war, von einer Holzhütte im Vorgebirge der Sierra Nevada aus leitete, oder über den Mann, der einen Ein-Jahres-Vertrag als Rechtsberater des Parlaments der Republik Pongo Pongo unterzeichnete und nie mehr zurückkehrte. Wir hatten ein unbändiges Vergnügen bei der Vorstellung, wie der Bursche auf einem Floß von einer Insel zur andern fuhr, mit den Fischern plauderte und alle paar Monate versuchte, sich an seinen Nachnamen zu erinnern. Oder die Zeit, als Dad eine Woche lang bei Joshua Tree geklettert war und in der Hochlandwüste im Auto gelebt hatte, heiße Tage, eisige Nächte. Auf einem Campingplatz wurde eingekauft, und er kam mit der älteren Kassiererin ins Gespräch. Ihr Mann sei vor kurzem gestorben, erzählte die Frau, aber das Alleinsein mache ihr nichts aus. Da er Matrose in der Handelsmarine gewesen sei, habe sie ohnehin die meiste Zeit ihres Lebens an Land auf ihn gewartet. Sie seien dann nach seiner Pensionierung da hinaus gezogen, weil – so Dad in einem großartigen Beispiel für seine Art des Geschichtenerzählens – für den alten Seemann die Wüste dem offenen Meer am nächsten kam. Dad hatte enorm viel Sympathie für solche Leute; und genau dahinein passte der junge Dana, dessen Nerven versagten und der nach seiner dritten Erkrankung an Masern seine Sehkraft so sehr eingebüßt hatte, dass er 1834 im Alter von 19 Jahren von Harvard abging und mit dem Schiff nach Kalifornien aufbrach.
    Es hat etwas zutiefst Romantisches, dass ein reicher Junge von der Ostküste nicht als Passagier mitfährt (was er sich mühelos hätte leisen können), sondern als einfacher Seemann anheuert. Denken Sie nur an den schwächlichen Theodore Roosevelt, der auf einer Ranch in Wyoming hart rangenommen wurde, oder an den dicklichen, empfindsamen Frederic Remington draußen in Montana. Dana schreibt: «Nicht mehr den engen Frack, den Seidenzylinder und die Glacehandschuhe eines Studenten in Cambridge zu tragen, sondern eine weite Segeltuchhose, ein kariertes Hemd und eine Seemannsmütze aus Ölzeug … diese Veränderung war bald vollzogen, und so glaubte ich, durchaus als alter Seebär durchgehen zu können.» Nachdem er Kap Horn umsegelt hat, geht er in Kalifornien bei Santa Barbara zwischen lauter Hawaiianern in der Brandung an Land. «Nie werde ich den Eindruck vergessen», notiert er, «den unsere Landung am Strand von Kalifornien bei mir hinterließ. Die Sonne war gerade untergegangen; es dämmerte, der feuchte Abendwind frischte auf, und die massive Dünung des Pazifiks setzte ein und brach sich in lauten, hohen Sturzwellen auf dem Strand.» Während Dana und die Mannschaft seines kleinen Boots ängstlich außerhalb der Brandung verharren,

Weitere Kostenlose Bücher