Surf
dem Board in der Hand, schlug wild aufs Wasser und keuchte, während mich eine blöde Strömung gegen einen Felsen zog. Angesichts einer neuen Welle schwamm ich wie üblich mit geschlossenen Augen, als ich einen starken Sog spürte, während die Welle über mich hinwegging. Beim Auftauchen direkt vor einem mit Rankenfußkrebsen überzogenen Felsbrocken überkam mich ein ekelhaftes Gefühl von déjà vu . Da rollte noch eine Welle herein. Ich tauchte und schwamm, spürte, wie der Auftrieb mich nach oben zog, wieder freigab, und durch eine Laune der Strömung trieb ich aufs Meer hinaus.
Einer von den anderen Surfern im Wasser, ein mittelgroßer Mann mittleren Alters mit einem zerfurchten, aber irgendwie jungenhaften Gesicht, erwischte erstaunlich viele Wellen. Zwei Stunden lang beobachtete ich ihn und seinen Freund, einen geschmeidigen Mann mit braunem Haar, der erstaunlich elegant und schnell surfte. Letzterem rief ich ein Lob zu, als er an mir vorbeisauste, woraufhin mich Skinny böse ansah; anscheinend galt es hier, extrem cool zu sein. Doch war es schon unglaublich, was für ein Leben diese Männer führten; beide offenbar Anfang vierzig, ungefähr im selben Alter wie der jüngste Bruder meines Vaters – der mir auch das Brett und den Surfanzug geschenkt hatte –, und mitten am Tag, mitten in der Woche waren sie hier draußen auf dem Wasser, weit weg von jedem hektischen Treiben. Während sie sich auf Spanisch (« ¡Coño! »), Französisch (« Cette vague-ci, c'est la mienne! ») und auf Italienisch Worte zuriefen, die ich nicht verstand, freuten sie sich offensichtlich, zusammen hier draußen zu sein. Zur Aufsässigkeit von Surfern im Wasser kommt noch hinzu, dass die Surfbretter und -anzüge alle mehr oder weniger gleich aussehen, sodass man die Leute nicht unbedingt erkennen kann; deshalb lernt man, Aussprache und Gesichtsausdruck zu deuten. Der kleinere, dunklere Mann warf Skinny und mir ein kurzes Lächeln zu, das teils sanft und überschwänglich, teils merkwürdig ironisch wirkte. Aber es war keine Zeit, sich zu unterhalten, und deshalb trieb ich nur so herum und erwischte ein paar Wellen, die zwar schnell waren, aber eine ganz eigene Form hatten, mit enormer Power unter der Wasseroberfläche, die jedoch dennoch gemütlich brachen. Trotzdem war es großartig, an diesen rollenden Wasserwänden entlangzugleiten, in einer perfekten Wildnis, während über dem Meer die Sonne aufging. Kein Haus und keine Straße war in Sicht – zumindest nicht von unterhalb der Steilküste, aber das allein zählt, denn es ist wichtig, offen für die Bewältigung der Wirklichkeit zu sein und sich an Ausblicken oder Blickwinkeln zu erfreuen, die die Wildnis ausmachen, etwa so, wie man in seiner Heimatstadt ausschließlich auf Straßen fährt, von denen aus betrachtet sie so wirkt, wie man sie haben will.
Skinny ritt zwar auf einigen kleineren Wellenhügeln, aber die ganze Szenerie schien ihn immer mehr zu ärgern. Keiner von uns kam so richtig dahinter, wo man warten musste – wir waren nie an der richtigen Stelle, konnten die besseren Wellen einfach nicht erwischen. Er brummelte etwas wie, er wisse schon, warum er diesen Strand normalerweise meide, und verkündete, jemand sollte das Riff da draußen mal mit ein bisschen Dynamit in Form bringen. Leonard Lueras schreibt in seinem Buch Surfing, the Ultimate Pleasure , dass die alten Hawaiianer um die Wellen beteten, indem sie mit pōhuehue , Winderanken, aufs Wasser schlugen; in der Hoffnung, dass die kleinen Wellen größere auslösen würden, sangen sie (und Lueras übersetzt); « Kū mai! Kū mai! Ka nalu nui mai Kahiki mai. » (Steigt auf, steigt auf, Ihr großen Wellen von Kahiki.) « Alo po'ipū! Ku mai ka pōhuehue. » (Ihr mächtigen, übereinander schlagenden Wogen. Steigt auf mit dem pōhuehue .) « Hū ! Kai ko'o loa. » (Wölbe dich, lange, wütende Welle.) Ich suchte mir einen schönen Zweig, lief zum flachen Wasser, bat um ein Zeichen des Himmels. Schlug in Ehrfurcht und Frustration auf die Oberfläche und sah zu, wie sich meine kleinen Wellen auflösten … Skinny, der auf seinem Board saß und nach Westen sah, kam langsam heran und drosch so heftig aufs Wasser, dass es in hohem Bogen spritzte.
Da ich von Natur aus optimistisch bin, paddelte ich eine der kleinen Wellen an, die er ignoriert hatte, aber sie rollte unter mir hindurch, und so kraulte ich mit gesenktem Kopf zurück.
«Schön, was?», fragte der ältere Typ und meinte damit den Sonnenschein und die
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