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Surf

Surf

Titel: Surf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Duane
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Seelöwen gejagt hatte – wie die Matrosen der Herde am Strand den Zugang zum Wasser abschnitten, herumschrien und mit den Waffen fuchtelten, um Panik auszulösen. Einer der Bullen wehrte sich und bekam eine Musketenkugel in den Kopf, eine Lanze ins Maul. Dann griffen die Seeleute an. In ihrer Panik kletterten die Seelöwen übereinander, während sie abgeschlachtet wurden und ihr bekanntermaßen reichlich vorhandenes Blut vergossen (durch die exzessive Menge sind sie imstande, lange zu tauchen, ohne Luft zu holen). Anschließend zogen die Seeleute den Tieren auf dem blutgetränkten Strand die Haut ab, schälten die dicke Speckschicht ab und schleppten sie zum Schiff, wo sie gekocht wurde. Und da tauchte dieser besondere Seelöwe mit seinem langen, stromlinienförmigen Rücken wieder unter in die schäumende, tosende See. Ein wahrhaft amphibisches Leben, das die Seelöwen da führten: Meist meiden sie die offene See, liegen am steilen, felsigen Ufer, sind imstande, aus den Wellen heraus auf hohe Felsvorsprünge zu springen und das zurückströmende Wasser zu nutzen, um wieder ins Meer zu kommen. Mit ihren schlampigen Lebensgewohnheiten sind sie zudem noch nachlässig: Sie teilen sich ihre Paarungsplätze mit Kormoranen, sogar wenn Raben und Füchse sich die Essensreste holen. Es heißt, Möwen könnten sich an den Stränden frei zwischen Seelöwen bewegen, sogar Exkremente aus dem After eines Jungtieres picken oder im Schwarm vom Himmel herabstoßen und sich um eine frische Nachgeburt streiten.
    Trotzdem waren Größe und Schnelligkeit des Seelöwen, den ich heute gesehen hatte, beunruhigend; eine schwarze Gestalt, die durch das schaumige Grün einer Welle schoss, ehe sie brach. Einen kurzen Moment lang glitt die geisterhafte Form noch ins Innere der Welle, dann verschwand sie. Vielleicht hatte der Seelöwe unser Spiel bemerkt, es als sein eigenes erkannt; wie man weiß, bodysurfen Seelöwen in Gruppen und kehren immer wieder zu einem guten Surfspot zurück. Selbst ihr Liebesleben kommt einem zugleich vertraut und fremdartig vor, denn die territorialen Bullen kämpfen um die guten Paarungsplätze am Wasser, breiten sich zwischen den Felsen aus, die von Wellen überspült und so von Unrat gereinigt werden. Die Weibchen sind den Männchen zahlenmäßig weit überlegen, drängen sich um die Bullen und sind ausgesprochen gesellig. Und bei allem Wegbeißen und Imponiergehabe der Bullen ignorieren die Weibchen – die sich ohnehin selbst ihren Sexualpartner aussuchen – deren Territorien und bewegen sich frei am Strand. Wenn ein paar Wochen nach der Niederkunft die Vulva erneut anschwillt und sich rötet, legt sich das Weibchen zu dem von ihm auserwählten Bullen und windet und reckt sich, um ihn anzusehen, oder rutscht ihm über den Buckel, als wolle es ihn besteigen. Daraufhin brüllt er ein wenig, reibt seine Barthaare am Körper des Weibchens und beißt es zärtlich; das Weibchen wölbt dann den Rücken und spreizt die Hinterflossen. Mal dauert der Geschlechtsakt ein paar Minuten, mal eine Stunde. Genau wie der Otter besteigt der Seelöwenbulle das Weibchen, steigt wieder ab, schläft ein wenig und macht sich wieder heran. Hat das Weibchen genug, steht es auf, beißt ihn heftig, macht sich los und watschelt davon, während er ins Leere stößt.
    Als die Sonne unterging, zog auch das Gewitter ab, und es wurde rasch dunkel in der Bucht. Willie und ich kamen gleichzeitig an Land und streiften noch am Meeressaum unsere Surfanzüge ab. Die Wellen umspülten fast unsere Füße, und plötzlich war der Himmel magentafarben und violett, mit riesigen Wolkenblöcken, die sich schwarz und flach am Horizont abzeichneten. Von den Klippen herab wehte der süße Duft kleiner gelber Blumen, und ich sagte, wie schön ich dieses Leben fand und wie schlimm es wäre, all das aufgeben zu müssen. Willie wusste genau, was ich meinte, und entgegnete, er habe sein Leben lang gearbeitet, um sich diese Freiheit zu bewahren. Steve kam als Letzter, genau bei Einbruch der Dunkelheit, aus dem Wasser, noch immer etwas einsam und verloren; und Willie fiel die halbblinde Hündin ein, die wir am Highway gefunden hatten, und fragte, ob sie ihm gehöre. Ja, es war seine, und Steve wurde blass, als er hörte, wo sie gewesen war, bedankte sich ein paar Mal zu oft und sagte, er wolle sie einfach jetzt nicht verlieren, das sei alles.
     
    Als 1883 in Indonesien der Krakatau ausbrach und eine Detonation auslöste, die noch 5000 Kilometer entfernt auf

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