Surf
zusammen.
Der Surfer hält sich auf der Hitliste der größten amerikanischen Charaktere ganz oben, zusammen mit dem Cowboy und dem Puritaner, und er gilt als ziemlich blöde. Nehmen wir Jeff Spicoli, gespielt von Sean Penn, in Fast Times on Ridgemont High von 1985: ein unbekümmerter, ohne viele Worte handelnder Sklave seiner Sinne (zugleich aber auch liebenswert und sehr witzig). Oder, noch bezeichnender, die in den Medien häufig gebrauchte Bezeichnung für den Zeugen Brian «Kato» Kaelin im O.J.-Simpson-Prozess: der «Inbegriff des alternden Surfers». Das Magazin Surfer berichtete, Kaelin aus Milwaukee habe noch nie auf einem Surfboard gestanden; offenbar bekam er von der Presse den Titel, weil er blond war und sich nicht ausdrücken konnte. Auch für Tom Wolfe ist der Surfer eine leicht zu treffende Schießscheibe. Nach dem Erfolg seines ersten Buchs The Kandy-Kolored Tangerine-Flake Streamline Baby unternahm Wolfe die Art journalistischer Pilgerfahrt, die die Betroffenen immer zusammenzucken lässt; einen Bericht über unsere exzentrischen Provinzler. Wolfes Surfer in The Pump House Gang (1968) führte eine ganze Truppe von Exzentrikern an: die vollbusige Carol Doda, Hugh Hefner vom Playboy , Prominente aus England, die sich unstandesgemäß amüsierten. Die Verachtung von Teenagern für alle Älteren – darunter wahrscheinlich auch für den sich in seinen Dreißigern befindenden Tom Wolfe selbst – beherrscht den Text; die einzige Beschreibung des Surfens stammt von Jackie Haddad, «Tochter eines staatlich geprüften Buchhalters». Anstatt es selbst einmal zu versuchen, exzerpiert er ihre Geschichte voller Verachtung und erzählt uns, sie «schrieb es nur für sich unter dem Titel ‹Meine ultimative Reise›». Eine schöne Beschreibung von Windansea, die aber für Wolfe nur Lokalkolorit ist. Er hingegen beschreibt zwei Burschen im Wasser, die «hinaus aufs Meer starren wie phrygische Küster, die auf ein Zeichen warten», und sogar das reduziert er auf ein gesellschaftliches Merkmal: keine Beschäftigung mit einem eigenen Wert, sondern nur «ein Boot mit Glasboden», das über die ‹reale› Welt treibt». (Surfboard-Neid?) Wolfe schreibt auch, dass die Surfer «das Mysterium des ‹Oh so mächtigen, kolossalen Pazifischen Ozeans und alles›» als «mysterioso» bezeichnen, und doch kommt es ihm überhaupt nicht in den Sinn, dass dies mehr als eine Pose sein könnte. Er erzählt die Geschichte von Bob Simmons' Tod im Wasser als ein Beispiel für die Faszination, die das Unbekannte auf die Jugend ausübt. «Das mysterioso Ding», lässt Wolfe sie denken, «war, wie Simmons überhaupt sterben konnte. Wäre er einer der alten verspotteten Erwachsenen gewesen, hätte er sicherlich getötet werden können. Aber Simmons war genauso alt wie man selbst, er gehörte zu der Art von Jungs, die in der Pump-House-Gang waren, er war … immun , war ein Teil des Musters, konnte das ganze Oh so mächtige, kolossale Meer spüren, musste es nicht Schritt für Schritt durchdenken. Aber er wurde ausgelöscht und getötet. Sehr mysterioso.»
Übergehen wir die Tatsache, dass Simmons wirkliches Handicap sein kranker Arm war und nicht, wie Wolfe berichtet, sein krankes Bein; vergessen wir, dass Wolfes «Simmons Boy» nicht nur nicht im selben Alter wie man selbst war, als er starb, sondern fünfunddreißig; mit Wolfes Worten: selbst ein Panther. Lassen wir außer Acht, dass Wolfe offenbar nicht wusste, wer Simmons war oder dass er vierzehn Jahre vor Wolfes Worten gestorben war. Wolfes wahrer Irrtum ist, das Staunen der Surfergemeinde als Eitelkeit auszulegen: der legendäre Surfer Robert Simmons, der jahrelang in seinem Wagen wohnte und den ganzen Staat hoch und runter surfte, war tatsächlich Teil des ganzen Musters und musste wirklich nicht alles Schritt für Schritt durchdenken. Das ist kein Mysterium, sondern die Kenntnis des Wassers aus lebenslanger Erfahrung. Und zu sagen, dass ein Panther – ein Tourist mittleren Alters aus einem von Land umschlossenen Staat – wahrscheinlich eher in einer Riesenwelle ums Leben käme als ein Mann, der sein Leben dem Verständnis des Meeres gewidmet hat, ist weder eine Frage des Alters noch Fremdenfeindlichkeit, sondern einfach gesunder Menschenverstand. Wolfe hätte wissen müssen, dass man in einem Interview im Umkleideraum wenig über Baseball erfährt; warum will man nicht zulassen, dass Surfer, wie so viele von uns, sich über die wichtigsten Dinge in ihrem Leben nicht zu
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