Surf
Tapferkeit von Pionieren vorzuweisen – die ersten Burschen, die je an der Waimea Bay surften und damit als Erste den makellosen, tropischen Zugang über das Riff fanden –, aber die meisten Spots sind nicht unbedingt tödlich, also zählen eher Geschichten darüber, wer zuerst das Vergnügen an dieser Welle hatte, wie zauberhaft sauber und menschenleer es war, Geschichten über billiges Benzin und unbebautes Land, ehe du und deinesgleichen kamen und alles verpfuschten. Es ist weniger ein Mythos der Eroberung als vielmehr der Mythos eines Gartens. Das bezeugt der Film Big Wednesday von 1978, in dem das Südkalifornien der Surfer – das meines Vaters und meines Onkels – von seiner Unberührtheit in den Fünfzigern bis in die Siebziger hinein gezeigt wird. Erst war das Paradies, das wir in der «Süddünung im Sommer 1962» verlieren sollten, eine sanft beleuchtete Szenerie mit schönen jungen Männern und Frauen, die am Strand erwachten. Klares Wasser, knisterndes Lagerfeuer, eine Hintergrundstimme, die uns daran erinnert, wie «in den Tagen damals … ein Wind … durch die Canyons wehte … am stärksten vor dem Morgengrauen. Meine Freunde und ich schliefen im Wagen, oft weckte uns der Geruch ablandigen Windes, und wir wussten, dies würde ein ganz besonderer Tag werden.» Unsere drei Helden gehen dann eine brüchige Treppe hinunter zum buchstäblich klassischen Strand: Der tragische, gut aussehende Matt stolpert betrunken voran, während ihn der wilde Leroy aufrecht hält und der blonde, blauäugige Jack Matt auffordert, sich selbst auf den Füßen zu halten. Vor dem roten Abendhimmel zeichnet sich die Silhouette des Tempels ab: eine alte Pier mit einer Hütte, in der Bear wohnt, ein bärtiger, alter Seebär, Guru und Boardschnitzer, Kahuna. Im Hintergrund sieht man unbebaute Hügel und ein Eisenbahnviadukt Symbole für Kalifornien als Eden und ein Flachsblonder erzählt Bear, wie sehr er Matt verehrt; Bear stimmt zu, dass Matt ein großartiger Surfer werden könnte, wenn er dabei bliebe.
«Was meinen Sie damit?», will der Blonde wissen. «Die Jungs sind so begeistert, dass sie immer surfen werden.»
«Niemand surft für immer», verkündet Bear grimmig und bestimmt damit das wahre Thema des Films, während er eine Schicht Fiberglas auf das Balsaholz eines Big-Wave-Boards aufträgt, ein Totem der Macht. Die Jungs fragen, wann das tolle Board eingeweiht werden soll, und Bear erwidert: «Dafür bedarf es eines großen Tages … einer Dünung so groß und stark, einer, die alles wegwischt, was vorher war…» Akt 2, «Westdünung 1965», beendet das Idyll: Jack und seine süße Freundin Sally finden Bear in betrunkenem Dämmerzustand vor, er weint und ist dabei, seine Hütte abzureißen, und dabei betet er die Litanei des Abtrünnigen: «Landeinwärts ziehen … Steuern … Ehe … Scheidung. Die ganze verdammte Chose.» Laut lallt er, dass die Moderne über uns gekommen ist und man der Pier einen Fluch auferlegt. «Ihr werdet unter der Knute eines Rettungsschwimmer-Staats leben», stöhnt er, und prompt beginnt der Film die Leben voller Schmerz und Frustration aufzutürmen, die von Bears prophezeiter großer Dünung weggewaschen werden. Jack wird tatsächlich Rettungsschwimmer und verjagt Matt vom Strand am Tag, als die Einberufung zu einem Krieg eintrifft, dessen Namen der Film nicht nennt. Matt und Leroy täuschen gesundheitliche Untauglichkeit vor, aber Jack bekennt sich zu seiner Pflicht gegenüber Gott und Vaterland. Matt gründet eine Reinigungsfirma für Swimmingpools und heiratet seine schwangere Freundin, und Leroy zieht nach Hawaii, um seinen Traum zu verwirklichen. Aber genau wie Bear vor so langer Zeit versprochen hatte, kann das Meer (fast) alles zurückbringen, was wir verloren haben. Jack kommt als Offizier und Gentleman aus dem Krieg zurück (aber Sally hat nicht auf ihn gewartet), Leroy kehrt als heldenhafter Surfer von den Inseln heim, und «Die große Dünung 1974» bringt die große Lebenswende und die große Dünung, die Bear vorausgesagt hat. Die Reiter sitzen wieder auf: Der ergrauende Matt hebt auf der Großen Welle ab und schwebt durch eine tödliche Tube nach der anderen, bis eine Wand aus Wasser über ihn hereinbricht und ihn in einer Unterwelt aus Schaum und Luftblasen ertränkt. Jack und Leroy springen herbei, um ihn zu retten; und einander eng verbunden durch ihre Jugendfreundschaft halten die drei in die Jahre gekommenen Surfer auch im sprichwörtlichen Strudel des Lebens
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