Survive
von seinem Hochsitz auf und lächelt.
»So etwas kann wirklich nur mir passieren – sie haben eine Philosophin geschickt, um mich zu retten!«
»Was?«, erwidere ich reflexartig.
Er schaut nach unten und dann zu mir herauf.
»Ich bin unverletzt, aber mein Sicherheitsgurt klemmt. Ich komme nicht raus. Gibt es nur uns zwei?«, fragt er.
»Ich glaube nicht«, rufe ich. »Ich weiß nicht so recht.«
»In meiner Tasche ist ein Messer. Ist das Flugzeug noch ganz? Hast du irgendwelche Taschen gefunden?«
»Ich habe Trümmer gesehen«, antworte ich.
Ich bewege mich nicht. Ich starre nur in sein Gesicht. Dann sage ich unsinnigerweise: »Ist dir kalt?«
»Was?«, blafft er, für einen Augenblick etwas entnervt. »Ja, mir ist sehr kalt! Hör zu, das Messer ist in meinem gelben Rucksack, kommst du an irgendwelche Gepäckstücke ran? Ist noch irgendjemand sonst hier?«
»Es liegen überall Taschen herum – ich schätze, der Laderaum ist beim Aufprall aufgegangen«, antworte ich.
»Such auch nach einem Seil und einem Schlafsack oder einem anderen Schutz für mich, für den Fall, dass ich hier die Nacht verbringen muss.«
»Okay«, schreie ich.
Ich wende mich zum Gehen, aber er ruft mich zurück.
»Warte, wie heißt du?«
»Was?«
»Ich weiß deinen Namen nicht«, brüllt er zu mir herauf.
»Jane«, sage ich. »Jane Solis.«
Kapitel 13
Ich fülle meine Lungen mit der eisigen Luft. Mein Verstand rotiert, und ich drehe mich weg von dem Abgrund und begutachte das schneeverwehte Gelände vor mir. Der Wind lässt etwas nach, und ich kann jetzt den schmalen Streifen erkennen, auf dem der Pilot die Maschine zur Bruchlandung gebracht hat. Es ist ein Hochplateau von zwei- oder dreihundert Metern Breite und vielleicht doppelt so lang. Da und dort ist es mit dichten Nadelbäumen bewachsen, und auf allen Seiten ist es von Berggipfeln umringt. Es war reines, dummes, blindes Glück, denke ich. Das Flugzeug hat durch Zufall auf dieser winzigen Landebahn aufgesetzt, die an der Seite eines Berges versteckt liegt. Hundert Meter weiter, egal in welche Richtung, und wir wären tot.
Wenn ich auf meinem Weg zu dem Abgrund Fußabdrücke hinterlassen habe, so hat der Wind sie bereits weggewischt. Von der Seite her schiebt sich eine undurchdringliche Wand aus Schnee und Eis durch die Luft. Ich kann weder das Heck noch die Trümmer der Maschine sehen. Ich schließe die Augen und versuche, mir meinen Marsch hin zur Absturzstelle ins Gedächtnis zu rufen und mir den Rückweg vorzustellen. Ich öffne sie wieder, und von einem seltsamen neuen Selbstbewusstsein gepackt, nehme ich meine Aufgabe an.
Hier geht es nicht ums Wollen. Du musst Paul retten. Du hast keine Wahl, Jane. Geh einfach weiter.
Ich mache meinen ersten Schritt und dann einen zweiten. Langsam stapfe ich durch die tiefen Schneewehen. Jeder Schritt verlangt eine enorme Kraftanstrengung. Ich stemme mich dem Wind und dem Eis entgegen und überlasse meinen Beinen das Kommando. Einen Fuß vor den anderen, bis ich nach zehn Minuten gar nicht weit weg ein Fleckchen Rot in einem Meer aus Weiß sehe. Ein Schriftzug, eine Zahl, ich kann noch nichts Genaues ausmachen, aber durch die Sturmböen hefte ich den Blick auf diese eine Stelle. Es muss der Rumpf des Flugzeugs sein.
Mit einem Aufwallen von Hoffnung fliegt mein rechtes Bein aus den Schneewehen und dann mein linkes. Schritt für Schritt, wieder und wieder, bewege ich mich durch den tiefen Schnee ohne nachzudenken, starre nur auf diesen Fetzen Rot.
Das Rot wird leuchtender und tiefer, aber es ist keine Zahl und auch kein Buchstabe. Ich bin ungefähr anderthalb Meter entfernt, ein paar Schritte vielleicht, als ich einen roten Stiefel aus dem Schnee ragen sehe. Es hängt ein Bein daran. Und dann, etwa einen halben bis einen Meter von dem Bein entfernt, sehe ich den Kopf des Piloten. Er ist zur Seite gedreht, von seinem Körper abgetrennt und starrt mich an.
Ich öffne den Mund, um zu schreien, aber ich bringe keinen Laut heraus. Dann krampfen sich mir die Eingeweide zusammen, und ich kotze dunkelgrüne Galle auf den Schnee.
Da ist keine Luft in meinen Lungen, mein Magen dreht sich wieder um, und das Geräusch, das aus meinem Körper dringt, ist tief und markerschütternd, wie der Schrei eines verwundeten Tieres, das von einer Falle zerrissen wurde. Ich schaue mich um und sehe Gepäck, Kleider, Trümmerteile und etwas, was eine Frau zu sein scheint, die den Arm über den Schnee an die Tür zur Passagierkabine gelegt hat. Ihre Hand
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