Survive
zum Schießen, sage ich mir.
Ich stehe auf und denke nach. Ich muss an den Inhalt dieser verdammten Tasche kommen. Ich knie mich hin undbeißekräftig auf den Schiebergriff des Reißverschlusses, bohre meine Zähne in das kleine Loch am oberen Ende. Dann zerre ich wie ein Hund, so fest ich kann, mit den Zähnen am Reißverschluss. Einen Moment lang tut sich nichts, kein Nachgeben, aber dann löst er sich und öffnet sich zwei,dreiZentimeter weit. Ich fange an zu zerren und zu zerren, bis sich – wusch! – der Reißverschluss fünfzehn Zentimeter bewegt, dann dreißig. Ich packe die beiden Enden mit den Händen und ziehe die Tasche so weit auf, wie ich kann.
Ich greife hinein. Volltreffer! Ich hole ein Paar gute Handschuhe und eine Schneemaske heraus und ziehe alles an. Unvermittelt fühle ich ein wenig neue Lebenskraft.
Ich nehme mehrere lange Unterhosen und Wollsocken heraus und lege sie auf den Sitz. Dann schlüpfe ich aus meinen Stiefeln und schäle meine vom Schnee durchnässten Jeans herunter. Der kalte Wind brennt auf meinen nackten Beinen, die rot und fleckig sind. Ich streife mir das erste Paar lange Unterhosen über, dann die Socken und eine schlabberige Schneehose. Unter meinem Mantel verstaue ich noch eine zweite lange Unterhose und eine trockene Jeans für Paul.
Ich ziehe eine Windschutzjacke hervor, die ich schnell überstreife. Darunter finde ich einen Pullover und einen ganzen Vorrat an Energieriegeln. Ich stopfe sie in meine Bluse und ziehe den Reißverschluss der Windjacke hoch.
Im übrigen Flugzeug gibt es zweifellos noch mehr brauchbare Sachen.
Ich gehe den Gang hinunter und öffne die Fächer für das Handgepäck. Ich ziehe etwas herunter, von dem ich vermute, dass es der Schlafsack von einem der Bergsteiger ist. Ich schiebe den Arm unter die Bungee-Seile, die um den Schlafsack gewickelt sind, und schnalle ihn mir auf den Rücken wie einen improvisierten Rucksack. Ich öffne das nächste Gepäckfach. Ich springe aus dem Weg, als sein Inhalt herausfällt. Ich beginne eine Tasche nach der anderen zu öffnen. Mützen, Handschuhe. Hosen. Pullover. Wollsocken! Ich greife mir drei Paar und stopfe die zusätzlichen Handschuhe und Mützen in die Taschen meiner Windjacke. Ich fische einen Schal heraus und wickele ihn mir um den Hals. Ich finde eine Tüte Chips und stecke sie für später ein.
Auf halbem Weg den Gang hinunter finde ich die Tasche eines anderen Bergsteigers und ziehe sie heraus. Sie ist mit Seilen und allen möglichen anderen Ausrüstungsgegenständen vollgestopft, mit denen ich auf den ersten Blick nichts anfangen kann. Ich wickele mir ein Seil um die Schulter. Ich suche nach einem Messer oder irgendwelchen anderen scharfen Gegenständen, aber ich finde nichts. Der gelbe Rucksack, fällt mir ein. Finde den gelben Rucksack.
Kapitel 15
Ich verlasse die Passagierkabine und werfe einen Blick auf den Friedhof von Gepäck, das über den Schnee verstreut liegt. All diese Sachen müssen sich im Frachtraum des Flugzeugs befunden haben, der bei der Bruchlandung wie eine Blechdose aufgerissen wurde.
Ich suche eher nach der Farbe Gelb als nach der Form eines Rucksacks. Jede Farbe des Regenbogens hebt sich hell und klar von der weißen Schneedecke ab. Rote Pullover, braune Schuhe, Zahnbürsten und Schminke, beige Hosen und gestreifte Hemden. Schwarze Taschen. Rote Taschen. Taschen in Rosa. Orange. Auch weiße. Und ungefähr sieben Meter vom anderen Ende der Kabine entfernt liegt ein neongelber Rucksack.
Ich pflüge mich durch tiefe Verwehungen und streife mit der rechten Hand am kalten Metall der Hauptkabine entlang, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. An ihrem Ende angelangt, drehe ich mich nach links und stapfe sieben Meter ins Gelände, wate durch einen Haufen ungeöffneter Taschen, bis ich das erreiche, wovon ich inständig hoffe, dass es Pauls Rucksack ist. Ich durchstöbere das Hauptfach des Rucksacks, bis ich Pauls Messer finde. Ich ziehe es heraus. Die Klinge ist scharf und dick, an der Spitze gezackt. Wäre mir dieses Messer einen Tag früher in Life House in die Hände gefallen, ich hätte nicht gezögert, von ihm Gebrauch zu machen. Und zwar, um mich selbst zu verletzen. Jetzt ist es völlig unvorstellbar, es zu einem anderen Zweck einzusetzen, als Paul zu retten. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke auf und stecke das Messer in die Innentasche, die für Geldbeutel und Schlüssel vorgesehen ist.
Ich werfe mir Pauls Rucksack auch noch über die Schulter. Meine Last ist
Weitere Kostenlose Bücher