Survive
beiden wird sichtbar.
Ich weiß nicht, wohin. Ich bin verloren. Ich werde sterben. Auf diesem gottverlassenen Berg werde ich sterben. Nun gut, ist es nicht genau das, was ich wollte?
Auf einmal weiß ich darauf keine Antwort mehr.
Ist es denn das, was ich wollte? Wollte ich das?
Kapitel 12
Ich spüre einen Kloß im Hals. Tränen schießen mir in die Augen, rinnen meine Wangen hinunter und gefrieren dort auf der Stelle. Neuer Schwindel überkommt mich, und meine Beine geben unter mir nach. Ich falle auf die Knie. Schnee wirbelt um mich herum, begräbt mich wie ein herzloser Mörder, der Erde auf ein noch atmendes Opfer schaufelt. Ich lebe, bin aber so gut wie tot. Ich schaue auf, dorthin, wo ich die Sonne vermute, aber ich sehe nur Muster aus Grau und Weiß, die vor meinen Augen tanzen.
Ein gewaltiger Schluchzer steigt in mir auf, und ich stoße einen Urschrei aus, der aus den dunkelsten Winkeln meines Herzens dringt. Es ist, als sei ein Teil von mir seit dem Tod meines Vaters gefesselt und geknebelt gewesen und jetzt freigelassen worden, um sich zu Wort zu melden, bevor er ins Jenseits verschwindet.
»Oh Gott, oh Gott!«, höre ich mich in den Himmel brüllen.
Ein Strom unkontrollierter Laute bahnt sich seinen Weg durch meine Brust und aus meinem Mund heraus. Meine Stimme hat keine Worte für das, was da jetzt aus mir herausbricht. Es ist wild und kehlig. Es ist das Leben, das sich lautstark gegenüber dem Tod Gehör verschaffen will, bevor der Tod eintritt. Während ich da knie und keuche, kann ich in meinem Kopf die alte, engelhafte Stimme flüstern hören: Lass los, Jane. Lass es gut sein. Genau das hast du dir doch so lange gewünscht. Lass dich vom unberührten weißen Schnee bedecken. Kämpf nicht dagegen an; nimm es mit Freuden; gib dich hin und lass den Schnee dein trauriges schwarzes Herz ein und für allemal begraben.
Eine heftige Bö eisiger Luft schlägt mir ins Gesicht. Ich drücke den Kopf ans Kinn, um mich zu schützen, und dann höre ich, als sei ich zu zwei Menschen geworden, meine eigene Stimme im Wind tanzen. Und dann höre ich sie wieder, aber mein Verstand sagt mir, dass das nicht ich sein kann. Fern, klar, vertraut. Die Stimme kommt wieder und jetzt klarer, als sich der Wind für einen Moment legt.
»Hilfe! Ist da jemand?«
Ich fange kurz an zu weinen, dann schreie ich zurück: »Ich bin hier! Hilfe! Helfen Sie mir!«
»Ich bin hier unten! Hier unten! Ich stecke fest!«, ruft die Stimme zurück.
»Helfen Sie mir!«, schreie ich wieder.
Dann begreife ich, dass ich, so verzweifelt meine Lage auch sein mag, nicht feststecke. Ich kann mich bewegen, ich kann handeln. Die Stimme von Old Doctor hallt in meinem Kopf wider: »Das Problem ist der Stillstand, Jane. Du kannst verkümmern oder dir selbst helfen. Das ist der einzige Weg zum Seelenheil.«
Ich erhebe mich langsam aus dem Schnee und versuche, das Gleichgewicht zu halten. Meine Beine zittern. Mein Gesicht ist verkrustet von Schnee, getrocknetem Blut und altem Erbrochenem, das jetzt zu gefrieren beginnt.
»Wo sind Sie?«, rufe ich. »Wo sind Sie?!«
»Hallo!? Hallo!?«, schreit die Stimme. Und dann: »Hier unten! Hier unten!«
Ich kenne diese Stimme. Ich kenne diese nervige, aber jetzt so unglaublich schöne Stimme. Es ist Paul Hart. Ich beginne mich durch den tiefen Schnee zu arbeiten. Meine Beine stampfen wie mit Adrenalin betriebene Kolben und pflügen sich mit Nachdruck und Entschlossenheit durch die Schneewehen. Neue Hoffnung erfüllt Kopf und Seele, und mein Körper jagt vorwärts. Es ist fast, als würde ich im Rennen nur die Oberfläche des Schnees berühren.
Ich blicke auf, sehe, wie sich der Himmel unter meinen Füßen auftut, und ramme die Fersen fest in den Schnee. Meine Füße kommen ins Rutschen, und dann falle ich auf den Hintern und gleite bis ganz an den Rand der Felsspalte.
Ich schiebe meinen Kopf vorsichtig über die Kante, darauf bedacht, dabei nicht auszurutschen. Ich schaue hinab, und es ist schwarz und bodenlos. Der Abgrund muss Hunderte von Metern tief sein. Mein Herz bleibt für eine Sekunde stehen, und beim Gedanken, wie nahe ich daran war, einfach über den Rand der Welt hinauszurennen, zieht sich mir der Magen zusammen.
Ich lehne mich zurück und atme tief ein, dann spähe ich wieder über die Kante und sehe Paul etwa sieben Meter unter mir, noch immer an seinen Flugzeugsitz geschnallt, der in einem aus dem Berghang wachsenden Baum hängengeblieben ist.
»Alles in Ordnung?«, rufe ich.
Er schaut
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