sus
Ach
ja, viertens war ich von den hohen Bäumen hinter Ihrem Haus wie erschlagen.
Vielleicht weil ich später mal aufgehängt werde. Wer weiß? Kurz und gut, ich
wollte lieber bis heute warten.“
Die Witwe von Oberst Spiridowitsch rutscht auf ihrem Sessel unruhig hin und her,
sieht auf die Uhr, sagt aber nichts. Ich fahre fort:
„Ich möchte Sie um ein kleines
Geschenk für meine reizende Begleiterin bitten. Sie ist hinter Diamanten her wie
der Teufel hinter der armen Seele. Leider hab ich nicht das Geld dazu, ihre
Wünsche zu befriedigen. Und da dachte ich, Sie würden mir den kleinen Gefallen
nicht abschlagen...“ Natascha fährt hoch:
„Wie bitte?“
„Sie haben mich richtig
verstanden. Ich brauch es nicht zu wiederholen.“
„Und welchen Grund haben Sie
für diese... Bitte?“
„Keinen.“
„Ehrlich sind Sie ja...“
„Da irren Sie sich. Macht aber
nichts.“
„Vielleicht bitten Sie mich
auch noch darum, dem jungen Mädchen die schönsten Modelle aus meiner Luxuskollektion
zu geben? Weil das gut zu Diamanten paßt.“
„Nein, Madame. Dessous kauft
sich Hélène von ihren eigenen Sous. Wir wollen uns hier doch nicht selbst
bedienen wie in einem Selbstbedienungsladen. Schließlich wurden die
Spitzenhöschen nicht geklaut. Mit ihren Diamanten sieht das allerdings anders
aus.“
„Wie bitte?“
„Tja, Madame. Die Diamanten,
Ihre Diamanten, sind geklaut. Also kann’s Ihnen nicht wehtun, wenn Sie mir
einen oder zwei davon abgeben.“
„Ich... Monsieur! ... Also
wirklich...“
Sie versucht ein Lächeln. Es mißlingt .
„Das soll wohl ein Scherz
sein... Ich... Ich verstehe nicht...“
„Dann werd ich’s Ihnen erklären. Nicht alle Schätze der russischen Krone sind den Sowjets
in die Hände gefallen. Ein Teil konnte von Männern gerettet werden, die in die
Emigration gingen. Nur wenige wußten darüber Bescheid, nur die führenden Köpfe,
und nicht mal alle. Die Kronjuwelen waren gleichzeitig Reliquien und
Kriegsschatz für eventuelle Militäraktionen. General Goropoff — um nur von ihm zu sprechen - hat nie damit hinterm Berg gehalten, sein
Vaterland zurückerobern zu wollen. Nun kosten solche Operationen einiges… und
es ist demütigend, um fremdes Geld zu betteln. Auch wenn’s für einen edlen und
heiligen Zweck ist. Der Schatz der Romanoffs konnte sich eines Tages als sehr
nützlich erweisen, als Reserve sozusagen. Der Hüter des edlen Schatzes war
einer der Anführer der Emigration: Oberst Spiridowitsch ,
Ihr verstorbener Gatte, Madame. Richtig?“
„Fahren Sie fort“, sagt sie
nur.
„Die Jahre vergehen, und der
Heilige Krieg findet nicht statt. Nach und nach sterben die Offiziere, die über
den geheimen Schatz im Bilde sind, und...“
„Genug“, faucht die Russin.
„Wollen Sie damit andeuten, daß mein Mann...“
„Nein, Madame. Ich will gar
nichts andeuten. Männer wie er waren schon recht alt, als Lenin und Trotzki die
Macht übernahmen. Das Exil war hart für sie. Sie starben eines natürlichen
Todes. Aber trotzdem waren sie Zeugen, die von der Bildfläche verschwanden und
keinen Einspruch mehr erheben würden, wenn „Wenn?“
„Wenn Oberst Spiridowitsch eines Tages der Versuchung nachgeben und sich
den ihm anvertrauten Schatz aneignen würde, den Schatz seines Zaren. Und dieser
Tag kam. Der Diamant nämlich, den Sonia Ihnen geklaut hat, um ihren Erpresser
zu bezahlen, dieser Diamant ist identifiziert worden... er gehört zum Schatz
des Zaren.“
„Haben Sie Beweise?“
„Oh, Madame! Die werden Sie mir
nötigenfalls selbst liefern. Denn ich nehme doch an, daß Sie eine Expertise
Ihrer Steine anfertigen lassen, wenn ich meine Anschuldigungen öffentlich
erheben werde, oder? Also, reden wir nicht mehr von Beweisen. Nehmen Sie meine
Behauptungen für bare Münze.“
„Und... von wem ist der Diamant
identifiziert worden?“
„Von einem Juden aus der Rue
Papillon. Ich werd mal nicht so sein und Ihnen die ganze
Geschichte erzählen. Sonia stiehlt Ihnen also einen Diamanten und gibt ihn
ihrem Chinamann. Der trägt ihn zu einem Monsieur Goldy ,
um den Wert feststellen zu lassen. Goldy ist ein
dicker Freund von Rosen, dem Juden aus der Rue Papillon. Die beiden sehen sich
das gute Stück an und identifizieren es. Nicht am Schnitt oder Schliff oder an sonstwas , sondern weil er in Fachbüchern beschrieben ist.
Als die Roten nämlich angefangen haben, die Kronjuwelen zu
,waschen’ , wurden sie in Fachbüchern abgebildet und beschrieben. Die
Juwelen natürlich. Alle,
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