sus
gewiß nicht das Scheckheft zücken lassen, aus
unterschiedlichen Gründen, aber die Auktionen bei Drouot standen immer auf meiner Termin-Wunschliste. Ich erinnere noch die
sonderbarsten Angebote, die ich mir in meinem Kalender notiert hatte — allein,
es kam nicht dazu.
Durch das Musée Grévin huschte ich an einem verregneten Herbstvormittag,
als das dort beheimatete kleine Theater nach
Renovierungsarbeiten wiedereröffnet wurde, vorbei an all den Glaskästen, hinter
denen die Großen der Vergangenheit und der Gegenwart wächsern beieinandersitzen
oder sich gegenüberstehen. Es ist das Pariser Pendant zum Kabinett der Madame Tussaud in London. Ein flüchtiges Erlebnis, ein Rendez-vous , das keine Liebelei aufkommen ließ.
Schier unmöglich schließlich
die Hoffnung auf Karten für die Oper. Ein hastiges Emporeilen auf der
prächtigen Freitreppe, im Schlepptau von Nurejew, dem begnadeten Tänzer, und
Jack Lang, dem in Ungnade gefallenen Kulturminister, als wieder einmal ein
Nebensaal, frisch restauriert, der Presse vorgestellt wurde. Ein Blick auf das
legendäre Deckengemälde von Marc Chagall, der damals noch lebte und dem
schließlich nur wenige Jahre zum hundertsten Geburtstag fehlten.
Streiflichter aus Abstechern
ins zu Unrecht vernachlässigte 9. Arrondissement. Ein seltsames Quartier.
Mitten in Paris, im Herzen der Stadt, aber der Puls schlägt nur am Rande. Es
ist ein Viertel, das von Grenzlinien gezeichnet wird. Da ist der geschäftige
Boulevard Haussmann im Süden, mit den Kaufhäusern der Galeries Lafayette und des Printemps , die den für ein
verlängertes Wochenende angereisten Touristen stundenlang unter Preisgabe eines
Großteils ihres Reisebudgets verschlingen, da ist, ganz entgegengesetzt, der im
Verlauf der vergangenen Jahre all seiner Verruchtheit entblößte und gähnende
Langeweile ausstrahlende Boulevard de Clichy am
längst abgeschmackten Pigalle , da läßt, wiederum im
Süden, die Oper den Weg frei zum mondänen Zentrum der Stadt, während, wenige
hundert Meter weiter, an der Gare St. Lazare, allabendlich zigtausende von
Bahnkunden den Weg in die nahen Arbeiter-Vororte nehmen. Die Gare St. Lazare
kennt nicht den Flair des vielleicht schönsten Bahnhofs von Paris, der Gare de
Lyon, mit dem wunderschönen Belle- Epoque -Restaurant
,Le Train Bleu’ und der Eleganz der stündlich ankommenden und abfahrenden
TGV-Schnellzüge, die Paris so schnell wie kein anderer Zug auf der Welt im
annähernd 300 km/h-Rhythmus mit der Provinz verbinden. Die Gare St. Lazare ist
ein guter alter ehrlicher Bahnhof, der zu seinen Klienten eher die Blaumänner
zählt und das graue Proletariat der aus der Ebene des Pariser Beckens
erwachsenen Vorstädte — Touristen finden sich dort nur selten ein. Der
eigenartige Uhrenturm auf dem belebten Vorplatz bleibt von der täglich
wiederkehrenden Kundschaft meist unbeachtet.
Wer diese betriebsamen
Grenzlinien verläßt und in das Zentrum des 9. Arrondissements eintaucht, gerät
unvermutet in eine zuweilen fast provinziell anmutende Idylle mäßig
ansteigender Straßen und Gäßchen . Ein Vorfeld des
unweit gelegenen Montmartre , ohne spektakuläre
Glanzlichter, aber ausgestattet mit heimeligen Innenhöfen und einem von
erbarmungsloser Stadtsanierung noch unberührten Gesamtbild, wie es im heutigen
Paris selten anzutreffen ist.
Da ist zum Beispiel das Viertel
zwischen der Kirche Notre Dame de Lorette und die Place St. Georges, das
sogenannte „ Nouvelle Athènes “
(Neu-Athen). Dort entstanden vor allem zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts,
in der Zeit der Restauration, zahlreiche herrschaftliche Privathäuser im
neoklassizistischen Stil, in denen Maler wie Delacroix, Musiker wie Berlioz
oder Chopin und Schriftsteller wie Dumas oder George Sand vorübergehend
wohnten. In der Rue St. Georges zum Beispiel hielt Madame Delphine Gay Hof. In
einem der damals so beliebten literarisch-politischen Salons empfing sie so
illustre Gäste wie Balzac und Victor Hugo. Schräg gegenüber wurde der Maler
Edgar Degas geboren. In der gleichen Straße machte Maupassant häufig seine
Aufwartung bei Emile Zola, den er bei Flaubert kennengelernt hatte, der
wiederum häufig an der Tafel der Brüder Goncourt saß, nach denen der
bedeutendste französische Literaturpreis benannt ist.
Weiter oben, an der Place St. Georges, bewohnte der portugiesische Marquis
de Paiva ein luxuriöses Palais, das heute in einem
beklagenswerten Zustand ist.
Nicht weniger beklagenswert war
das Schicksal
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