sus
schon erwähnten
Hornochsen sitzen noch ein paar Touristen hier, asiatisch aussehende Studenten
und nach Pigalle aussehende Kerle mit anständigen
Muskelpaketen. Das müssen Globetrotter sein, Opfer internationaler
Verwicklungen, früher mal Besitzer von Nachtklubs in Saigon, die nach dem Ende
des Indochinakrieges hier gestrandet sind. Aber ich
mach mir um sie keine Sorgen. Sehen nicht nach Clochards aus.
Hinter einem Vorhang dudelt
eine schräge Musik. Sie ist zwar leise, zieht einem aber trotzdem den Magen
zusammen. Ob das so gut ist für die Verdauung?
Die Kellner, natürlich alles
Chinesen, flitzen in ihren blütenweißen Jacketts durch den Saal, bringen
Reisschüsseln und Teekännchen. Eine junge Chinesin in langer Seidenhose
trippelt auf ihren winzigen Holzpantinen von Tisch zu Tisch und bietet diese
bunten Papierblumen an, die ihre Form bei jeder Bewegung verändern.
Tchang-Pou thront an der Kasse. Ich weiß,
daß er es ist. Ein Stammgast hat ihm beim Hereinkommen ein dick aufgetragenes
„Guten Abend, Monsieur Tchang-Pou “ zugeworfen. Ein
sehr europäischer Chinese, dieser Tchang-Pou . Nicht
mehr ganz neu; aber sein geheimnisvolles, sanftes, safrangelbes Vollmondgesicht
weist kein Fältchen auf. Sein Anzug ist tadellos geschnitten; den
Jackenaufschlag schmückt eine Blume, eine echte. Er macht einen verträumten
Eindruck. Scheint gar nicht dort zu sitzen, zwei Schritte von den Folies-Bergère und den Boulevards entfernt. Man könnte
meinen, er schwebe jenseits der Dritten Himmelspforte, im perlmutternen Reich
der Lieblichen Glückseligkeiten. Aber vielleicht sollte man nicht seine Hand
dafür ins Feuer legen.
Möchte wissen, welches Süppchen
er außer denen in seinem Restaurant sonst noch kocht. Opium? Geschäfte mit
gelbem Fleisch? Aber sofort blase ich mir den Marsch. Keine voreiligen
Schlüsse, Nestor! Omer Goldy bezahlt dich dafür, daß
du ihm Informationen über Tchang-Pou bringst. Und der
Chinese ist noch der weniger undurchsichtige von beiden. Aber du wirst bezahlt.
Also, mach deine Arbeit. Beschäftige dich mit diesem lausigen Pou , nimm seine Verbindungen unter die Lupe, sieh sie dir
genau an, seine russischen Verbindungen. Daß ich nicht lache! Die russischen
Verbindungen von Tchang-Pou ! Wird wohl so was sein
wie Goldys Freund oder der Sohn dieses Freundes mit
seinem Liebeskummer. Alles Erfindungen des
Diamantenhändlers. Will Auskünfte über Tchang-Pou .
Welche genau? Weiß ich nicht. Zu welchem Zweck? Weiß ich auch nicht. Na ja,
egal. Werde versuchen, jedem was zu bieten für sein Geld.
Wir haben unsere Völlerei
beendet. Ich trinke noch etwas Tee, um mir den Mund auszuspülen. Dann rufe ich
den Kellner und zahle. Hélène zündet sich eine Zigarette an, ich eine Pfeife.
Wir nebeln uns ein wie ein Liebespaar, das sich nicht mehr viel zu sagen hat.
Nach einer Weile tätschel ich meiner Begleiterin das Knie, stehe auf und gehe zu den Toiletten. Bei
dieser Gelegenheit komme ich an dem unbeweglichen, maskenhaften Tchang-Pou vorbei. Schlecht zu sagen, ob er mich bemerkt
oder nicht.
Neben den Toiletten befindet
sich eine Telefonzelle, etwas weiter davon eine Tür: Privat, Zutritt verboten.
Hinter dieser Tür hört man Gerenne und lautes Töpfescheppern .
Die Küche. Auch der Geruch verrät es.
In diesem Moment taucht ein
Kellner auf, um eine Bestellung weiterzugeben. Pfeifend verschwinde ich auf dem
W.C. Als ich das Gefühl habe, daß die Luft rein ist, komme ich wieder raus.
Wenige Schritte neben der Küche
gibt es noch eine Tür. Ich prüfe nach, ob sie verschlossen ist. Nein. Ich
schlüpfe hinein, schließe die Tür hinter mir, knipse das Licht an. Das Licht
fällt auf eine schmale, sehr steile Treppe. Ich warte ‘n paar Sekunden, doch es
läßt sich niemand blicken. Um so besser! Hab zwar eine passende Erklärung für mein Vordringen an diesen offenbar
verbotenen Ort, aber die bewahre ich lieber für ein andermal auf. Ich steige
die Treppe hoch, eine chinesische Treppe, eine geräuschlose Treppe, eine
Treppe, aus der meiner Meinung nach nicht viel herauszuholen ist.
Dann stehe ich in einem
gewöhnlichen, hoffnungslos anständigen Zimmer. Das merke ich natürlich erst,
nachdem ich Licht gemacht habe. Ich lösche das von der Treppe und gehe ins
Zimmer nebenan.
Hier sehe ich zum ersten Mal
die Druckerpresse.
Dieses Zimmer ist mehr eine
Rumpelkammer, ein Dachboden, allerdings nicht unterm Dach, und dazu eine
Werkstatt. Die Presse steht in einer Ecke, ein Ding mit Pedale für
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