sus
Und nun liegt die Kanone in der Ecke, mitten in den
herausgefallenen Glimmstengeln .
Aber egal, jetzt ist es zu spät
für einen Rückzieher. Tchang-Pou nutzt meine
Schrecksekunde aus und gibt mir die Anzahlung mit Zinseszinsen zurück. Ich
bedanke mich mit einem Volltreffer auf den Punkt und einem ordentlichen Tritt
vors Schienbein. Die Zeche dafür muß mein Ohr bezahlen. Ich grunze auf und
umklammere den Chinesen liebevoll. Dem traue ich nicht. Hab keine Lust, von ihm
mit einem Trick aus der Judokiste aufs Kreuz gelegt zu werden. Chinesen und
Japaner können sich anscheinend zwar nicht riechen; das hindert sie aber nicht
am kulturellen Austausch. Wenn also dieser Chinese hier Judo gelernt hat... Man
kann gar nicht vorsichtig genug sein. Am besten, man schlägt wild drauflos, wie
bei einer Straßenschlägerei. Kampf bis aufs Messer, Knie in den Unterleib und
was in die Fresse. Ich pack mir also den Kerl, und dann rollen wir beide über
den Boden, umschlungen, daß einem übel davon werden kann, von rechts nach
links, wie auf einem Schiffsdeck bei hoher See. Mal liegt der eine oben, mal
der andere. So langsam wird’s blamabel. Ich muß das schnellstens beenden. Vor
allem, weil noch weitere Kampfhähne auftauchen können. Ich versuche, wieder
einigermaßen zu Atem zu kommen, und schon rutscht mir Tchang-Pou aus der Umarmung, nicht ohne mir einen freundschaftlichen Stoß erster Güte zu
versetzen. Ich fliege gegen einen Schrank, wodurch sich eine Tür öffnet. Der
Chinese läßt nicht locker. Ich ramme ihm meine Beine in den Magen, er knickt
ein und weicht zurück. Ich rapple mich hoch und stürze mich auf ihn. Inzwischen
konnte ich meinen Revolver rausholen, einen richtigen. Damit versetze ich ihm
einen Schlag auf den Vollmond. Er sackt in sich zusammen, die Hand auf einer
Art Tischchen neben ihm. Vielleicht hab ich ihn k.o.-geschlagen. Aber deswegen
sieht es für mich nicht besser aus. Irgendwo höre ich ein Klingeln, das mein
Gegner ausgelöst hat. Hau ab, Nestor. Hau ganz schnell ab. Flieh vor der Gelben
Gefahr. Ich dreh mich um und will abhaun , da... was
ich in dem Schrank sehe, läßt mir die Haare zu Berge stehen... und mich um so schneller abhaun .
* * *
Ich verlasse die Arena — Tchang-Pou liegt immer noch leblos in der Ecke — , als einer von den Kerlen, die der Chinese
herbeigeklingelt hat, von irgendwoher auftaucht. Ich flüchte mich in die
Druckerwerkstatt, werfe die Tür ins Schloß und schiebe ein Möbel dagegen, um es
meinem Verfolger so schwer wie möglich zu machen. Ich hab’s sehr eilig. Mir
wachsen Flügel. Schon steh ich oben an der steilen Treppe, die gerade ein
dicker Chinese mit eindeutigen Absichten hinaufkeucht. Ich laß mich ganz
einfach wie ein nasser Sack fallen. Wir rollen zusammen die Treppe runter,
lautlos, wie in einem Western aus der Stummfilmzeit. Unten angekommen, hau ich
dem Rollmops was hinter die Ohren, befreie mich aus der Umklammerung und renne
durch den Flur ins Restaurant. Unterwegs stoße ich mit einem Kellner zusammen,
der eine riesige Schüssel mit ziemlich öligem Reis trägt. Er fällt samt
Reisschüssel hin. Der Kerl von der Treppe ist inzwischen wieder auf den Beinen
und rennt hinter mir her. Aber er rutscht auf dem Reis aus und stürzt wie ein
Pudding. Ich warte nicht auf ihn, sondern laufe im gestreckten Schweinsgalopp
durch den Speisesaal. Hélène sitzt nicht mehr an unserem Tisch. Endlich bin ich
an der frischen Luft, Rue de la Grange- Batelière .
Ich atme tief durch. Auf die
Straße werden sie mir ja wohl
nicht nachrennen. Ich atme die
nächtliche Pariser Frühlingsluft.
Lautlos schiebt sich ein Wagen
den Bürgersteig entlang. Mein Wagen. Hélène sitzt am Steuer.
„Prügel bezogen, stimmt’s?“
fragt sie mich.
„Mehr oder weniger“, bestätigte
ich.
„Also, zwitschern wir ab.“
Ich laß mich neben sie in die
Polster fallen, und wir entfernen uns von diesem ungesunden Ort.
„Sie machen so’n komisches Gesicht“, bemerkt Hélène nach einer Weile.
„Hm ja.“
Langsam, ganz langsam komm ich
wieder zu mir.
„Diesmal scheinen vor allem Ihr
Gesicht und Ihr Anzug was abgekriegt zu haben. Der Hinterkopf ist mit ‘nem
blauen Auge davongekommen, hab ich das Gefühl.“
„Ist noch nicht aller Tage
Abend.“
„Ja, stimmt. Sie kommen ja nie
zu kurz.“
„Die anderen auch nicht...
Wissen Sie, mein Schatz, ich hab ganz schön dumm geguckt, als ich Sie nicht
mehr im Lokal gesehen habe. Hab mich gefragt, ob man Sie viel- j
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