Susan Andersen
schließlich bemühte sie sich nicht darum. Soweit er sehen konnte, trug sie nicht die Spur von Make-up, außer vielleicht etwas Wimperntusche und etwas Balsam, den sie sich ab und zu mit einer entschiedenen Bewegung auf die Lippen strich. Diese Bewegung zog seinen Blick an wie ein Magnet Metall. Sie hatte das blonde Haar zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden.
Poppy trug ausgewaschene Jeans, ein schmales rotes Fleeceoberteil und eine dicke Daunenweste. Über letztere zog sie in diesem Moment einen riesigen schwarzen Kittel, der mit einem Dutzend Farben vollgekleckst war. Unter diesen ganzen Lagen müsste sie eigentlich aussehen wie jemand, der sein Leben lang zu viele Marshmallows gefuttert hatte. Und für ungefähr eine Sekunde lang tat sie das auch. Doch dann beugte sie sich vor und stemmte den Deckel des Farbeimers auf, wobei der Kittel hochrutschte und einen Weltklasse-Hintern in Jeans offenbarte.
„Hey Mann, warum lecken Sie sich die Lippen?“
Jase riss sich von dem Anblick los und wunderte sich, was aus seiner berüchtigten Fähigkeit geworden war, sich von nichts ablenken zu lassen, egal, was um ihn herum geschah. Er sah Henry an und sagte das Erste, was ihm in den Sinn kam. „Ich musste gerade an Marshmallows denken, die in der Mitte ganz heiß und klebrig sind.“
„Ich liebe Marshmallows!“ Einen Moment vergaß Cory ihre Leck-mich-Haltung und war einfach nur ein sehnsüchtig aussehendes, viel zu stark geschminktes Mädchen. „Mein Daddy hat sie früher an einem Spieß über dem Feuer gegrillt.“
Henry musterte sie kurz, dann schüttelte er den Kopf. „Sie haben vielleicht an was Heißes, Klebriges in der Mitte gedacht, Mann, aber bestimmt nicht in einem Marshmallow.“
Jesus! Jase war entsetzt. Was zum Teufel ist aus deinem Polizistengesicht geworden, wenn du nicht mal mehr einem Dreizehnjährigen etwas vormachen kannst?
Zum Glück blieb Henry keine Zeit, um seinen Vorteil auszunutzen, weil Poppy diesen Moment wählte, um ihm einen Farbroller zu reichen. Der Junge schnitt angeekelt eine Grimasse.
Jase schenkte ihm ein boshaftes Lächeln. „Klappe halten und malen, Kid.“
„Für Sie Mr. Close, Arschgesicht.“
„Denk an Ms. Calloways Regeln“, sagte Cory. „Das heißt Detective Arschgesicht.“
„Das reicht jetzt“, rief Poppy und warf Jase einen Blick zu, der besagte: Sollten Sie hier nicht der Erwachsene sein, Detective Arschgesicht? „Ich wüsste es sehr zu schätzen, wenn Sie alle etwas weniger unhöflich und dafür fleißiger wären.“
In den nächsten drei Stunden ließ sie die Teenager trotz lautstarken Protests zwei Schichten Farbe auftragen. Am Ende trat Poppy einen Schritt zurück, betrachtete die Arbeit und sagte: „Nicht schlecht.“
„Das ist besser als nicht schlecht“, widersprach Danny G. „Das ist verdammt – ich meine verflixt gut. Vor allem, wenn man bedenkt, dass nur ein ganz kleiner Teil überhaupt getagged war.“
„Habe ich das heute nicht schon etwa hundert Mal von jedem von Ihnen gehört?“, erwiderte sie ruhig. „Aber das geschieht nun mal, Mr. Gardo, wenn man das Gesetz bricht. Man verliert eine Menge Rechte, die man sonst für selbstverständlich hält. Ungefähr so wie die Ladenbesitzer hier, als sie entdeckten, dass Sie ihre Läden verunstaltet haben, in denen ihr ganzes Herzblut und Geld steckt.“
Sie bückte sich, um einen Eimer aufzuheben. „Legen Sie bitte alle Ihre Farbrollen hier herein und bringen Sie sie zur Hintertür. Mr. Harvey ist einverstanden, dass Sie sie in seinem Waschbecken auswaschen. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie das schnell und leise tun. Und danach werde ich mir alles ansehen.“ Nacheinander sah sie den drei Jugendlichen fest in die Augen. „Ich habe Hunger und bin ein bisschen gereizt. Sie wollen bestimmt nicht, dass ich Sie die ganze Prozedur wiederholen lasse.“
Nachdem die drei die Rollen zu Poppys Zufriedenheit gesäubert hatten, mussten sie die Deckel auf die Eimer drücken, alles in die Kisten packen und zu ihrem Auto tragen. Dann entließ Poppy sie mit der Anweisung, am nächsten Tag um acht Uhr wiederzukommen. Natürlich maulten alle drei, doch Poppy warf ihnen nur wieder einen dieser Ich-bin-eine-Frau-aus-Stahl-und-nicht-mal-Supermann-kriegt-mich-klein-Blick zu, woraufhin sie sich leise grummelnd verzogen.
Kaum waren sie außer Sichtweite, als sie grinsend die Faust in die Luft stieß. „Yessss!“ Sie wirbelte zu Jason herum und schwenkte die Arme über dem Kopf. „Bin ich gut oder was?“,
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