Susan Price
fassungslos waren, glaubten, obwohl sie eigentlich nicht glauben konnten. Er wusste, dass kein Einziger von ihnen gegen diese Armee die Hand erheben konnte. Er wusste, dass er selbst es nicht konnte.
Kendidra stand oben auf dem Treppenabsatz, stützte sich schwankend an der Wand ab und starrte und starrte. Ihre Seele schrie vor Verzweiflung auf, aber nichts ergab einen Sinn. Sie verstand sich selbst nicht mehr.
Ebba sprang vom Tisch herab und lief hinüber zu Elfling, warf sich ihm an den Hals und umarmte ihn inniglich. Seinen Schwertarm hielt er sich frei und schob sie dann hinter sich, wo sie lachte und in die Hände klatschte und zwischen den Toten tanzte.
Ingvi ließ sein Schwert fallen. Er wich von der Seite seines Bruders und schob sich durch die wenigen Männer vor ihm. Als er den Platz zwischen den Schlachtreihen der Lebenden und der Toten erreichte, hob er seine Hände hoch, um zu zeigen, dass er unbewaffnet war, und ging langsam weiter.
Elfling wandte das Haupt und sah ihn an, und Ingvi stolperte, als sein Kopf nach hinten zuckte. Elflings Blick hatte die Kraft eines Schlags. Ingvi blieb stehen und war sich seines laut polternden Herzens wieder bewusst. Der Druck dieses Blickes wich nicht von ihm, und er musste seine ganze Kraft aufbringen, um nicht zurückweichen zu müssen. Er senkte den Blick, als er die Stechpalmenkrone von seinem Kopf nahm, und ging wieder vorwärts. Er setzte sie Elfling auf den Kopf, immer bemüht, nicht in seine Augen zu schauen – und dann gab er dem Druck nach und kniete vor ihm, als ob er einen Schwur leisten wollte. »Mein Schwert, mein Schild, meine Treue, Elfling – sie sind dein.«
Jeder Däne schrie laut auf und stimmte in seine Worte ein. Sie wichen von den Sachsen und Walisern zurück und stellten sich an die Seite der Toten. Selbst der behäbige Ingvald verließ Unwin, um sich seinem Bruder anzuschließen. Unwin sah, als er ging, und hatte nicht die Kraft, um sein Schwert gegen ihn zu erheben.
Die Welt um Unwin war kleiner geworden, bis es nur noch das widerwärtige Ding zu sehen gab, das im Feuerschein stand und seinen stechpalmenbekrönten Kopf nach oben reckte. Wohin er auch schaute, duckten sich die Menschen und verbargen ihre Gesichter, weil sie Angst vor seinem Blick hatten.
Als er es im Feuerschein glänzend stehen sah, die Anmut seiner Bewegungen beobachtete, konnte er die innere Stimme nicht unterdrücken, die sagte: »Wunderschön!« Und er verabscheute es nur noch mehr.
Er fürchtete sich davor. Er hatte es sterben sehen. Sein Blut befleckte den Dachbaum hinter ihm. Ein getötetes Ding sollte tot bleiben – wie sonst sollte man wissen, ob morgen noch die Sonne aufging oder die Welt unter den Füßen bliebe? Die Auferstehung, an die Unwin glaubte, lag in weiter Ferne, räumlich und zeitlich. Nicht diese Auferstehung. Wenn dieses Ding ganz und lebendig war, dann war er ein Niemand, trotz seines Ranges und seines Muts – dann war er nur ein Narr.
Sein Gott stellte ihn auf die Probe!
Mit dieser Antwort auf das Rätsel kehrte auch sein Atem zurück. Gott stellte ihn auf die Probe, wie er so oft schon die Heiligen geprüft hatte, indem er sie folterte, sie fast in den Wahnsinn trieb, um sicherzustellen, dass sie der Aufgabe gewachsen waren, die er ihnen stellte. Er musste die Probe bestehen.
Er schritt an dem wirren Haufen seiner Männer vorbei. Elflings Kopf drehte sich blitzschnell zu ihm um, und sein Blick trafen auf Unwins. Die Wirkung dieses Blicks war wie ein Schlag ins Gesicht, und Unwin wich wankend zurück, bevor er sich wieder aufrichten und ihm standhalten konnte.
»Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes – und mit ihrer Hilfe – werde ich dich erneut töten, und mit ihrer Billigung werde ich dich diesmal endgültig unter die Erde bringen.«
Elfling drehte sich lächelnd zu ihm, nackt, ohne Schild oder Rüstung.
»Aber ich werde nicht mit diesem Schwert kämpfen! Hier – nimm es zurück!« Unwin warf Wodens Versprechen Elfling zu, und der fing es in der Luft auf. Er richtete sich gerade auf, mit zwei Schwertern in den Händen. Seine langen Haare fielen ihm über die Schultern, und auf seinem Haupt befand sich die Stechpalmenkrone. Einen Augenblick lang konnte sich Unwin nicht daran hindern, ihn anzustarren. Das Ding war das Abbild eines Geisterkriegers, der zwischen Schwertern tanzte, so wie es auf einem Schildbuckel eingraviert war, den Unwins heidnischer Vater mit ins Grab genommen hatte. Und es war
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