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Susan Price

Susan Price

Titel: Susan Price Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Elfling Saga
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Sachsen als auch die Waliser, waren seinem Vorbild gefolgt und hatten sich zum Fest mit den Dänen an dieselben Tische gesetzt, ohne auf die Julkränze und Julfiguren einzugehen.
    Godwin war wütend darüber, dass die Dänen den Befehl seines Vaters missachteten, aber es war ihm erlaubt worden, an einem der weniger bedeutsamen Plätze am Ehrentisch zu sitzen, anstelle bei den Frauen auf der Wandbank dahinter, und er traute sich nicht, seine Meinung kundzutun, weil er fürchtete, vom Tisch fortgeschickt zu werden.
    Es wäre für ihn einfacher zu ertragen gewesen, wenn er hätte verstehen können, warum sein Vater nichts sagte. Hatte er Angst vor den Dänen? Dieser Gedanke erschien ihm unerträglich. Vielleicht – zumindest hoffte er das – versteckten alle Männer seines Vaters Messer unter ihrer Kleidung und würden sich auf ein Zeichen auf die Dänen stürzen und sie alle umbringen, wie in einer der alten Geschichten. Er würde diesen grinsenden Troll am liebsten selbst umbringen. Man würde von Verrat und Mord reden, aber wenn die Leute die Wahrheit erfuhren, dann würden sie ihre Meinung schon ändern. Die Dänen waren die Verräter, weil sie zuerst seinem Vater die Treue geschworen und sich dann von ihm abgewandt hatten.
    Aus dem Augenwinkel bemerkte er eine Bewegung, und er erkannte ein Mädchen, das hüpfend den freien Bereich vor dem Ehrentisch erreichte und offensichtlich im Rhythmus ihres eigenen Gesangs tanzte. Angewidert sah er, dass es sich um das wahnsinnige Mädchen handelte. Ihr kleiner ausgemergelter Körper steckte in einem dreckigen grauen Wollkleid, und ihre verfilzten dunklen Haare waren mit einem Kranz aus dunkelgrünen Efeublättern und schwarzen Beeren gekrönt – ihr Gegenstück zu den Stechpalmenkränzen der Dänen. Man hielt sie für eine Sächsin – eine weitere Verräterin! Sie sah aber nicht aus wie eine Sächsin. Ihr kleines weißes Gesicht war dreieckig wie das einer Katze, spitz zulaufend am Kinn, mit hohen Wangenknochen, und ihre Augen erinnerten ihn an die Früchte der Schlehe – lang, schräg und schwarz. Sie wirkte mehr wie eine Elfe als die Elfenbrut selbst. Vielleicht steckte noch altes walisisches Blut in ihr.
    Jeder am Ehrentisch hatte die Augen nur auf sie gerichtet, doch sie, wahnsinnig, wie sie war, hatte nur Aufmerksamkeit für die Haltung ihre Füße und ihrer Arme … Aber als ihr Blick auf den Troll fiel, lächelte sie und rief: »Heute Abend kommt er!«
    »Wer?«, fragte Unwin.
    Ingvi grinste, und seine weißen Zähne bildeten einen deutlichen Kontrast zu seiner dunklen Haut. Er hielt eine seiner Erntefiguren hoch – eine grobe Darstellung eines Manns, der seine Arme ausgebreitet hatte.
    »Christus«, sagte Unwin, ihn mit Absicht falsch verstehend. »Der Gekreuzigte. Christus wird am Jüngsten Tag widerkehren, so steht es geschrieben.«
    Ingvi lachte und stellte seine kleine Figur an einer Schüssel auf. Unwin wandte sich ab. Er wusste, dass die Figur Ing darstellen sollte, dessen Arme ausgebreitet waren, um die Speere in sein Herz zu empfangen.
    Im Saal war es laut: Das Knistern und Zischen der Feuer und Fackeln, das Geklapper des Geschirrs, das Trampeln von Füßen, der Lärm der Gespräche, Gelächter, Messer auf Tellern – all dies fand seinen Weg nach oben zwischen die Dachsparren, zusammen mit der Hitze, und da es so unaufhörlich auf jeden einprasselte, wurde es kaum deutlicher wahrgenommen als die Luft, die sie einatmeten. Durch diesen Lärm schnitt eine plötzliche, gellende Stimme: »Hört! So hört mir zu!«
    So klang der Befehl eines Sängers, der ein Lied vorzutragen gedachte, und die Höflichkeit gebot Stille. Langsam wurde es leiser, und die Menschen reckten die Hälse, um einen Blick auf den Sänger zu erhaschen. Unwin blickte sich ebenso um, denn er war verwirrt. Er hatte keinem der Barden befohlen, ein Lied zu singen.
    Eine Gestalt sprang über ihren Köpfen herum – das wahnsinnige Mädchen sprang herab auf eine gut besetzte Bank und von dort auf den Tisch. »Hört!«, rief sie erneut, erhob ihre Hand, und im schweigsamen Saal konnte jeder ihre Stimme hören.
    Die letzten Geräusche verstummten, als ob sie einen Zauberspruch auf sie gewirkt hätte. Die Bediensteten hielten inne, Hände blieben auf Tischen liegen, alle hielten den Atem an. Von draußen, doch innerhalb der Mauern, ertönte ein Geräusch, wenn auch nur leise, von Metall, das auf Metall schlug – Klingen schlugen auf Schilde, Klingen schlugen auf Klingen. Die Musik der Äxte. Das

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