Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Susan Price

Susan Price

Titel: Susan Price Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Elfling Saga
Vom Netzwerk:
ihn empfinden könnte, aber es war eher ihre eigene Ungeschicklichkeit, die sie bemitleidete. Unwin war immer ein tapferer Mann gewesen, das stand außer Frage. Wenn auch nicht mehr.
    Wulfweard senkte den Kopf nicht und verfolgte den blutigen Tanz, doch ihm standen Tränen in den Augen, und das Licht verwandelte sie in gleißendes Gold. Die Geräusche von Unwins schwer gehendem Atem und seinen stolpernden Füßen bereiteten ihm seelische Qual.
    Atemlos, erschöpft, niedergerungen von den Todesfesseln, ging Unwin in die Knie. Doch er biss die Zähne zusammen und kämpfte gegen das Gewicht an, das auf seinen Schild und seinen Körper drückte, und versuchte, wieder aufzustehen. Wenn er diesen Kampf verlor, dann hatte er alles verloren. Er konnte es nicht ertragen, gefangen genommen oder gedemütigt zu werden.
    Seinen Kopf konnte er noch heben, doch als erneut die gesamte Länge der Todesfesseln vor seinen Augen auftauchte, bezwang der Bann auch seinen Geist.
    Seine Knie rührten sich nicht mehr. Er konnte nicht mehr aufstehen. Seine Ellbogen rührten sich nicht. Seine Schwertspitze schlug auf dem Boden auf. Sein Herz setzte aus, genau wie sein Atem. Sein Gott war nicht bei ihm, und er war nur ein Narr. Er konnte seiner Kehle nicht einen Ton entlocken. Sein Sehvermögen ließ nach, doch obwohl er seinen Kopf nicht bewegen konnte, rollte er seine Augen, weiß und weit aufgerissen, in Richtung Elfling.
    Im gesamten Saal bewegte sich niemand.
    Elfling umkreiste Unwin leichtfüßig wie ein Tänzer. Er spürte, wie Wodens Versprechen an seinem Arm zerrte wie ein Hund an der Kette.
    Es bestand keine Notwendigkeit mehr, Unwin zu töten. Nun, da er gedemütigt war, würden ihm wohl kaum viele Männer folgen. Aber zwischen ihnen lag die Erinnerung an Rauch, der ihm den Atem nahm, und aufgehäufte Leichen. Unwin schuldete ihm sein Leben. Wodens Versprechen hörte nicht auf, an seinem Arm zu zerren.
    Elfling schaute zu seinem Bruder hinüber. Wulfweard spürte, wie der Blick auf sein Gesicht prallte, und musste sich erst die Tränen aus den Augen wischen, bevor er ihn erwidern konnte. Er wusste, welche Frage Elfling ihm wortlos stellte, und schaute zu Unwin und in Unwins verwundetes Gesicht. In ihm regte sich das Mitleid, das man für einen Wolf empfand, der die eigenen Lämmer gerissen und getötet hatte und nun blutverschmiert und verkrüppelt vor einem lag. Doch er erinnerte sich an den Schmerz, als er eingesperrt gewesen war und man ihn hatte verhungern lassen. Der Schmerz zu wissen, dass Unwin dies befohlen hatte und nicht mehr zu ihm gekommen war. Das hatte ihn den Schmerz gelehrt, den Unwin immer gekannt hatte: den Schmerz, einen Bruder zu lieben, aber zu wissen, dass er eine Bedrohung war und ein Feind.
    Wulfweard spürte die geschliffene scharfe Klinge eines Schwertes, die in sein Herz gestoßen wurde, und das von zwei Händen – der des Bruders, der ihn verraten, und der des Bruders, dem er die Treue geschworen hatte.
    Wulfweard hätte sich am liebsten abgewandt, aber Unwin entließ ihn nicht aus seinem Blick, und daher konnte er ihm nicht den Rücken zuwenden. Es war, als ob er nicht mehr für seinen Bruder tun konnte, als ihm zuzuschauen und diese Erinnerung niemals zu vergessen. Dafür würde er es tun. Er schaute zu.
    Elfling erkannte die kleine Bewegung – den Versuch, sich abzuwenden, nur um dann doch stehenzubleiben. Godwin sah sie auch und wusste plötzlich, was geschehen würde, als ob er es schon gesehen hätte. Er erkannte auch, dass niemand seinem Vater helfen würde. Niemand. Nur er konnte ihm helfen! Und obwohl er eine Ameise war, die einen Bären angriff, rannte er los, unbewaffnet, verzweifelt, und warf sich gegen das, was eine feste Mauer zu sein schien, aber nur der große Eschenschild des Mannes neben ihm war, der seine Arme mit dem Schild um den Jungen warf und ihn festhielt. Ein weiterer Mann, der sah, wie wütend der Junge sich loszureißen versuchte, kam herbei und half, ihn festzuhalten. Godwin sah nichts außer der inneren Rundung des Schilds und hörte nur das Echo seiner eigenen Schreie.
    Elfling sprang vor den knienden Unwin. Dabei drehte er sich um die Hüfte und schwang Wodens Versprechen nach oben. Der Feuerschein schimmerte in goldenen Strahlen und rötlichen Schatten durch sein wehendes Haar, über seine angespannten Muskeln und die Klinge entlang. Das schwarze Eisen verwandelte sich in Gold und glitzerte entlang des eingehämmerten Musters. Die Klinge summte, als sie die Luft

Weitere Kostenlose Bücher