Susan Price
Tür kamen die Wachmänner hereingerannt, Waliser und Sachsen. Sie liefen um ihr Leben, mit vor Angst entstellten Gesichtern, die Münder in wildem Grinsen verzerrt, ohne Verstand. Godwin stellte mit Entsetzen fest, dass sie ihre Schilde und Waffen fallen gelassen hatten, um schneller rennen zu können.
Sie stürmten gegen die Reihen der Verteidiger an und durchbrachen ihre Linien, da die Männer zögerten, auf ihre eigenen Freunde einzuschlagen.
Der Lärm von Wodens Musik wurde lauter, drängte sich schmerzhaft in jedes Ohr. Die nächsten Krieger, die durch die Tür hereinkamen, bewegten sich kämpfend rückwärts und rangen nach Luft. Der Schildwall der Verteidiger öffnete sich erneut, um die schwer bedrängten Männer durchzulassen.
Dann erschienen die Angreifer. Einer rammte einen Speer durch einen erschöpften Mann, der zu Boden gegangen war, ein anderer führte einen Beinstreich mit einer Axt. Der kalte Wind trug ihren Gestank in den Saal. Er wirbelte durch den Rauch und ließ die Feuer kalt und bläulich flackern. Und als jeder lebende Mann im Saal diesen Gestank einatmete, ertönte in ihren Ohren ein langer, wilder, frohlockender Schrei, der jedes Gelenk erstarren ließ. Der Schrei einer Walküre. Der Schlachtruf.
Und dann der Anblick der Angreifer, als sie im Licht zu erkennen waren! Hände, die nur noch aus Knochen bestanden, hielten blutverschmierte Waffen. Zwischen den Knochen von Armen und Beinen hingen Fleischfetzen. Über nasenlose Gesichter spannte sich lederne Haut, und gebleckte Zähne ohne Fleisch erstreckten sich unter leeren, dunklen Höhlen, wo einst Augen waren. Der Mut eines jeden lebenden Mannes löste sich in der nahenden Kälte in Luft auf. Waffen fielen zu Boden. Wille versiegte.
Die Krieger der ersten Schlachtreihe drehten sich um und bekämpften die Männer hinter sich – diejenigen, die noch nicht in aller Klarheit gesehen hatten, wem sie gegenüberstanden. Sie warfen sich im verzweifelten Versuch, das andere Saalende zu erreichen, auf scharfe Klingen und Waffenspitzen, um so weit wie möglich dem entfliehen zu können, was aus der Nacht zu ihnen hereingekommen war. Sie stürzten zu Boden, krabbelten über Bänke und unter Tischen hindurch. Auf einem Tisch tanzte das wahnsinnige Mädchen und kreischte laut. »Füllt die Hörner! Bringt das Brot herein! Die Toten sind zum Julfest gekommen!«
Ingvi stand wie angewurzelt da, denn die Kälte hatte sich auch in seine Adern geschlichen, aber dennoch verdiente er sich den Ruf eines mutigen Manns. Seine Schulter war an Ingvalds mächtigen Arm gelehnt, und er konnte das Zittern spüren, das den Körper seines Bruders im eisigen Griff hatte. Er hörte, wie Unwins Atemzug zitternd durch die Kehle strich.
»Bleibt stehen!«, schrie Unwin. »In diesem Saal habt ihr mit eurem Mut geprahlt! Nun beweist, dass ihr nicht gelogen habt!«
Die Reihen der Männer gerieten ins Wanken, als die Mutigsten unter ihnen sich wieder umdrehten. Die Schildträger brachten sie zu einem Wall zusammen. Doch als sich die Toten näherten und ihren atemberaubenden Gestank den Lebenden ins Gesicht bliesen, erzitterte der Schildwall.
Aus der Dunkelheit schritten zwei Männer ins helle Licht, die nicht tot waren. Sie kamen so leichtfüßig und schnell herein, dass sie in der Luft zu schweben schienen. Ihre langen Haare wehten um ihre Gesichter. In ihren Händen trugen sie Schwerter, aber ansonsten waren sie nackt. Sie glichen einer dem anderen wie Zwillinge.
Nachdem sie die Tür durchschritten hatten, blieben sie stehen. Die toten Krieger wichen zu ihnen zurück und sammelten sich zu einer Leibgarde um sie. Im Vergleich zur erdfarbenen Haut und den erdbefleckten Knochen der Toten schimmerte das lebende Fleisch der beiden, wirkte sanft, wenn es auch mit dunklem Blut verschmiert war.
Alle Dänen stimmten zugleich einen Schrei an, der sich ungehindert Bahn brach. Sie erkannten die Brüder, die auf dem Gräberfeld getanzt hatten: Die Geisterkrieger von den Wänden des Götterhauses, Odins Auserwählte, waren erschienen, um denjenigen ein Ende zu bereiten, die vom alten Graubart und seinen Kriegsmaiden erwählt wurden. Sie hatten alle gesehen, wie Elfling niedergemetzelt worden war, doch nun stand er makellos vor ihnen, abgesehen von den langen Schnitten an seinen Unterarmen.
Ingvi starrte sie verzückt an, ungläubig, aber dennoch an diese Wahrheit glaubend, und rund um ihn herum hörte er das Keuchen und Ächzen und lange Stöhnen derjenigen, die genauso wie er
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