Susannah - 02 Auch Geister haben hübsche Söhne
habe.«
Jesse beäugte Spike misstrauisch. »Bist du dir sicher, dass es eine Katze ist? Das Vieh sieht gar nicht aus wie eine Katze, eher wie … Wie heißen die gleich noch mal? Diese kleinen Pferde. Ach ja, wie ein Pony.«
»Doch, es ist eine Katze«, sagte ich. »Genauer gesagt ein Kater. Hör zu, Jesse, ich stecke gerade ziemlich in der Klemme.«
Er deutete mit einem Kopfnicken auf Spike. »Das sehe ich.«
»Nein, ich meine nicht den Kater. Es geht um Tad.«
Jesses Gesichtsausdruck, der bislang freundlich-frech gewesen war, wurde schlagartig finster. Wäre ich nicht sicher gewesen, dass er in mir nichts anderes sah als eine Freundin, hätte ich direkt annehmen können, er sei eifersüchtig.
»Er ist unten«, fügte ich schnell hinzu, bevor er mich wieder anschreien konnte, weil ich beim ersten Date so leicht zu haben gewesen war. »Mit seinem Vater. Sie wollen, dass ich mit zu ihnen fahre, zum Abendessen. Und ich habe keine Chance, mich da rauszulavieren.«
Jesse murmelte irgendwas Spanisches vor sich hin. Seinem Blick nach zu urteilen, hatte er wohl kaum seinem Bedauern Ausdruck verliehen, dass er nicht auch eingeladen worden war.
»Das Ding ist«, fuhr ich fort, »dass ich ein paar Sachen über Mr Beaumont herausgefunden habe, die mich … na ja, ein bisschen nervös machen. Also … Könntest du mir vielleicht einen Gefallen tun?«
Jesse richtete sich kerzengerade auf. Er wirkte überrascht. Klar, ich bat ihn auch nicht wirklich oft um einen Gefallen.
»Aber natürlich, querida «, sagte er. Bei dem zärtlichen Ton, mit dem er dieses Wort immer aussprach, machte mein Herz sofort einen Flickflack. Dabei wusste ich noch nicht mal, was querida hieß.
Wenn das nicht erbärmlich war!
»Also …« Meine Stimme klang leider quietschiger denn je. »Wenn ich bis Mitternacht nicht zurück bin, könntest du dann Pater Dominic Bescheid sagen, dass er am besten die Polizei rufen soll?«
Während ich redete, hatte ich eine neue Tasche rausgeholt, eine Kate-Spade-Imitation, und stopfte all das rein, was ich normalerweise zum Geisterjagen mitnahm. Meine Taschenlampe, eine Kneifzange, Handschuhe, die Münzrolle, die ich immer in die Hand nahm, seit Mom meinen Schlagring entdeckt und konfisziert hatte, Pfefferspray, ein Bowiemesser und ah, ja, einen Bleistift. Was Besseres fiel mir auf der Suche nach einem Holzpfahl einfach nicht ein. Ich glaubte zwar nicht an Vampire, aber daran, gut vorbereitet zu sein.
»Du willst, dass ich mit dem Pfarrer spreche?«
Jesse klang geschockt und ich konnte es ihm kaum übel nehmen. Ich hatte ihm zwar nie verboten, sich mit Pater Dominic zu unterhalten, aber dazu ermuntert hatte ich ihn auch nicht gerade. Natürlich hatte ich ihm nicht verraten, warum ich nicht wollte, dass sie sich trafen: weil Pater Dom sonst sicher eine Embolie erlitt, wenn er von unseren Wohnverhältnissen erfuhr. Aber ich hatte ihm auch nie signalisiert, dass es okay sei, wenn er in Pater Doms Büro spazierte.
»Ja«, sagte ich. »Genau das will ich.«
Jesse blinzelte verwirrt. »Aber Susannah … Wenn dieser Mann gefährlich ist, wieso willst du dann …«
Da klopfte es an meine Tür. »Suzie?«, rief meine Mutter. »Bist du so weit?«
Ich packte meine Tasche. »Ja, Mom«, rief ich. Mit einem letzten flehentlichen Blick zu Jesse hastete ich aus dem Zimmer, wobei ich darauf achtete, dass Spike nicht entwischte, der mittlerweile sein Mahl beendet hatte und auf der Suche nach mehr Futter überall herumschnüffelte.
Auf dem Flur musterte Mom mich neugierig. »Alles in Ordnung mit dir? Du warst so lange da drin …«
»Ja, klar«, sagte ich. »Hör zu, Mom …«
»Suzie, ich wusste nicht, dass es dir mit diesem Jungen ernst ist.« Sie nahm mich am Arm und führte mich die Treppe hinunter. »Er sieht wirklich klasse aus! Und süß. Ist doch echt bezaubernd von ihm, dass er dich zu sich nach Hause einlädt.«
Ich fragte mich, wie süß sie ihn noch gefunden hätte, wenn sie von Mrs Fiske gewusst hätte. Mom war seit über zwanzig Jahren Fernsehjournalistin und hatte schon mehrere landesweite Preise für ihren Enthüllungsjournalismus bekommen. Als sie sich nach einem Job hier an der Westküste umgesehen hatte, waren ihr sofort mehrere Stellen angeboten worden, und sie hatte sich den besten Sender raussuchen können.
Dabei wusste ein sechzehnjähriges Albino-Mädchen mit einem Laptop und einem Modem mehr über Red Beaumont als sie.
Was mal wieder bewies, dass die Leute nur das wissen, was sie wissen
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