Susannah - 02 Auch Geister haben hübsche Söhne
wollen.
»Ja«, sagte ich. »Ich wollte kurz noch was zu Mr Beaumont sagen, Mom. Ich glaube nicht …«
»Und die Geschichte mit deinem Artikel für die Schülerzeitung. Suze, ich hatte ja keine Ahnung, dass du dich für Journalismus interessierst!«
Sie wirkte beinahe so glücklich wie an dem Tag, an dem sie und Adam sich das Jawort gegeben hatten. Und so glücklich wie an dem Tag hatte ich sie noch nie gesehen, jedenfalls nicht mehr, seit Dad gestorben war.
»Suzie, ich bin so stolz auf dich!«, flötete Mom. »Jetzt gehst du deinen Weg. Du weißt ja, wie viele Sorgen ich mir in New York gemacht habe, weil du ständig … Probleme hattest. Aber jetzt sieht es endlich so aus, als würde sich alles zum Guten wenden. Für uns beide.«
Das war der Augenblick, in dem ich hätte sagen müssen: »Mom, dieser Mr Beaumont … Hör zu, der taugt nichts. Um genau zu sein, er ist ein Vampir. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Könntest du jetzt bitte runtergehen und ihm ausrichten, dass ich Migräne habe und nicht mit ihnen zu Abend essen kann?«
Aber ich sagte es nicht. Ich konnte einfach nicht. Ich musste immer daran denken, wie Mr Beaumont mich angesehen hatte. Er würde meiner Mutter reinen Wein einschenken. Dass ich unter falschem Vorwand in sein Haus gekommen war und von einem angeblichen Traum erzählt hatte.
Und dass ich mit Toten reden konnte.
Nein. Nein, das durfte nicht passieren. Endlich war meine Mutter stolz auf mich und würde vielleicht sogar beginnen, mir zu vertrauen. Es war, als wäre New York wirklich bloß ein übler Albtraum gewesen, aus dem sie und ich endlich aufgewacht waren. Hier in Kalifornien hatte ich Freunde. Ich war normal. Ich war cool. Ich war die Sorte Tochter, wie meine Mutter sie sich immer gewünscht hatte – nicht mehr die asoziale Verrückte, die ständig wegen Hausfriedensbruchs oder Erregung öffentlichen Ärgernisses von der Polizei nach Hause geschleift wurde. Ich brauchte nicht mehr zweimal die Woche zum Therapeuten zu gehen. Ich hatte nicht mehr Dauer-Hausarrest. Ich musste mir nicht mehr mit anhören, wie meine Mutter sich abends in den Schlaf weinte oder sich heimlich selbst eine Valium-Kur verordnete, sobald die Elternsprechstunden-Saison anfing.
Hey, bis auf den Giftsumach-Ausreißer war sogar meine Haut besser geworden. Ich war jetzt eine ganz neue, verwandelte Jugendliche.
Ich holte tief Luft. »Du hast recht, Mom«, sagte ich. »Endlich wendet sich alles zum Guten.«
KAPITEL
13
E r aß nichts.
Er hatte mich zum Abendessen eingeladen, aber er selbst aß keinen Bissen.
Tad dagegen schon. Tad futterte wie ein Scheunendrescher.
Aber das taten alle Jungs. Man musste sich nur die Mahlzeiten im Hause Ackerman angucken. Da ging's zu wie in einem Roman von Jack London. Nur dass statt Weißzahn und der anderen Schlittenhunde eben Schlafmütz, Hatschi und sogar Schweinchen Schlau so gierig schlangen, als würden sie nie wieder was Essbares kriegen.
Zumindest hatte Tad gute Manieren. Er zog den Stuhl für mich raus, damit ich mich hinsetzen konnte, und er benutzte tatsächlich eine Serviette, statt sich die Hände einfach an der Hose abzuwischen, wie Hatschi es nur allzu gern tat. Außerdem achtete er darauf, dass ich mich als Erste bediente, sodass ich eine reichliche Auswahl hatte.
Vor allem weil sein Vater nichts aß.
Aber er leistete uns bei Tisch Gesellschaft. Er saß am Kopfende, ein Glas Rotwein vor sich – zumindest sah es aus wie Rotwein –, und strahlte mich an, während ein Gang nach dem anderen hereingebracht wurde. Ja, richtig gelesen: Es gab mehrere Gänge. Ich hatte noch nie ein mehrgängiges Menü genossen. Andy kochte zwar fabelhaft, aber normalerweise servierte er alles auf einmal: Hauptgericht, Salat, Brötchen, das ganze Drum und Dran.
An Red Beaumonts Tafel hingegen wurde jeder Gang einzeln serviert, und zwar von zwei Kellnern, die mit großartigem Gestus Tad und mir die Teller gleichzeitig vorsetzten, damit niemandes Essen beim Warten kalt werden konnte.
Der erste Gang war eine Fleischbrühe, in der kleine Hummer-Stückchen schwammen. Schmeckte ziemlich gut. Dann folgten ein paar schicke Muscheln in einer scharfen grünen Soße. Anschließend Lamm mit Kartoffelpüree und Knoblauch, dann Salat – ein wirres Vogelnest aus Grünzeug, das in Balsamico getränkt war – und zuletzt ein Tablett voller unzähliger stinkender Käsesorten.
Wie gesagt, Mr Beaumont rührte nichts an. Er hielte sich an eine ganz bestimmte Diätkost, behauptete er, und
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