Susannah - 02 Auch Geister haben hübsche Söhne
großes Missverständnis gewesen war, »haben wir herausgefunden, dass es billiger kommt, gleich eine neue Statue zu kaufen, als die alte restaurieren zu lassen. Aber dann wäre sie kein echter … ähm … ich habe leider vergessen, wie der Künstler heißt. Also sind wir noch am Überlegen. Wenn wir die alte restaurieren lassen, wird immer eine Art Narbe bleiben, an der Stelle, wo der Kopf wieder aufgesetzt wird, aber die könnte man eventuell verstecken, wenn man den Kragen von Pater Serras Soutane etwas höher macht. Das wiederum zieht gerade eine Diskussion nach sich, ob eine Soutane mit hohem Kragen historisch gesehen in Ordnung geht, und …«
Genau an diesem Punkt meiner Ausführungen kippte Tad plötzlich vornüber und landete mit dem Gesicht in meinem Schoß.
Ich blinzelte zu ihm hinunter. War ich wirklich so eine Langweilerin? Kein Wunder, dass mich vorher nie einer zu einem Date eingeladen hatte.
Dann wurde mir klar, dass Tad überhaupt nicht eingeschlafen war, sondern bewusstlos.
Ich sah zu Mr Beaumont hin, der uns gegenüber auf der anderen Couch saß und einen traurigen Blick auf seinen Sohn warf.
»Oh Gott«, sagte ich.
Mr Beaumont seufzte. »Wirkt schnell, nicht wahr?«
»Sie haben Ihren eigenen Sohn vergiftet!«, schrie ich entsetzt.
»Das ist kein Gift«, widersprach Mr Beaumont empört. »Glauben Sie wirklich, ich würde meinem eigen Fleisch und Blut so etwas antun? Das ist nur ein Schlafmittel. In ein paar Stunden wird Tad wieder aufwachen und sich an nichts mehr erinnern können. Und sich zudem frisch und ausgeruht fühlen.«
Mühsam schob ich Tad von mir weg. Der Typ war zwar kein Schrank, aber bewusstlos wog er tonnenschwer, und ich hatte echt Probleme, sein Gesicht von meinem Schoß runterzukriegen.
»Hören Sie«, sagte ich, während ich mich weiter unter seinem Sohn herauszuwinden versuchte. »Kommen Sie bloß nicht auf dumme Gedanken.«
Während ich mit der einen Hand immer noch Tad von mir schob, machte ich mit der anderen heimlich den Reißverschluss meiner Tasche auf. Die hatte ich seit dem Betreten des Hauses nicht aus den Augen gelassen und Yoshis Vorschlag abgelehnt, sie mir abzunehmen und zusammen mit meiner Jacke wegzubringen. Ein paar Sprühstöße Pfefferspray würden sicherlich ganz gut kommen, falls Mr Beaumont beschließen sollte, mir irgendwie an die Wäsche – oder den Hals – zu wollen.
»Ich meine es ernst«, betonte ich, schob meine Hand in die Tasche und tastete darin nach dem Pfefferspray. »Es wäre wirklich keine gute Idee, sich mit mir anzulegen, Mr Beaumont. Ich bin nicht das, wofür Sie mich halten.«
Mr Beaumont sah noch trauriger drein, als er das hörte. »Ich auch nicht«, sagte er mit einem tiefen Seufzer.
»Nein.« Endlich hatte ich das Pfefferspray gefunden und versuchte nun, mit einer Hand den kleinen Plastikdeckel abzukriegen. »Sie halten mich für ein dummes kleines Mädchen, das Ihr Sohn zum Essen mitgebracht hat. Aber das bin ich nicht.«
»Natürlich nicht«, erwiderte Mr Beaumont. »Deswegen war es mir ja so wichtig, noch einmal mit Ihnen zu sprechen. Sie können mit den Toten reden, und ich … na ja …«
Ich beäugte ihn misstrauisch. »Sie was?«
»Nun.« Er wirkte beschämt. »Ich versetze sie in diesen Zustand.«
Wieso hatte diese bescheuerte Frau in meinem Zimmer darauf bestanden, dass er sie nicht umgebracht hätte? Natürlich hatte er! Er hatte sie genauso umgebracht wie Mrs Fiske!
Und mich wollte er jetzt auch um die Ecke bringen.
»Nicht dass Sie denken, ich wüsste Ihren Sinn für Humor nicht zu schätzen, Mr Beaumont«, sagte ich. »Ich halte Sie nämlich für sehr lustig. Extrem lustig. Deswegen hoffe ich auch, dass Sie das nicht persönlich nehmen …«
Damit sprühte ich ihm eine volle Ladung ins Gesicht.
Beziehungsweise … ich versuchte es. Ich hielt die Tülle in seine Richtung und drückte, so fest ich konnte. Nur dass alles, was dabei rauskam, ein mattes Pffff war.
Kein scharfes Pfefferspray. Kein bisschen, nicht einmal ein Hauch.
Da fiel mir wieder ein, wie mir beim letzten Strand-besuch meine Flasche Paul-Mitchell-Stylingschaum ausgelaufen war und in Kombination mit Sand meinen kompletten Tascheninhalt versifft hatte. Offenbar war dadurch auch das kleine Loch zugekleistert worden, durch welches das Pfefferspray hätte rauskommen sollen.
»Oh«, sagte Mr Beaumont. Er wirkte enttäuscht. »Tränengas? Susannah, das ist jetzt aber sehr unfair.«
Ich wusste, was ich zu tun hatte: Ich schleuderte die
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