Susannah - 02 Auch Geister haben hübsche Söhne
auf. Als ich hier eingezogen war, hatte er mir ganz ritterlich angeboten, das Zimmer mit ihm zu tauschen, weil er in meinem eine spezielle Kälte bemerkt hätte: ein eindeutiges Zeichen dafür, dass etwas Übernatürliches vor sich ging. Ich hatte zwar beschlossen, mein Zimmer zu behalten, war aber von seiner Opferbereitschaft gerührt gewesen. Seine zwei älteren Brüder hätten sich bestimmt nicht so großzügig gezeigt.
»Ist nur für eine Nacht«, versicherte ich ihm. »Das mit der Katze, meine ich.«
»Oh«, sagte Schweinchen Schlau. »Das ist gut. Du weißt ja, dass Brad gegen feline Hautschüppchen allergisch reagiert. Und Allergene, also allergieauslösende Substanzen, führen dazu, dass der Körper Histamine ausschüttet, die wiederum allergische Symptome hervorrufen. Es gibt eine breite Palette an Allergenen, zum Beispiel solche, die durch Kontakt wirken, etwa Giftsumach, oder durch die Luft übertragene Allergene, wie die Hautschüppchen von Katzen, gegen die Brad allergisch ist. Die Standardtherapie besteht natürlich darin, das Allergen zu meiden, soweit dies möglich ist.«
Ich blinzelte. »Ich werde es im Hinterkopf behalten.«
Er lächelte. »Prima. Na dann gute Nacht. Komm mit, Max.«
Er schleifte den Hund mit und ich betrat mein Zimmer.
Dort musste ich als Erstes feststellen, dass mein neuer Mitbewohner geflohen war. Spike war verschwunden, und das offene Fenster verriet mir, wie er das geschafft hatte.
»Jesse«, murmelte ich.
Jesse machte ständig meine Fenster auf und zu. Wenn ich sie nachts öffnete, waren sie morgens, wenn ich aufwachte, wieder zu. Das war mir normalerweise sehr lieb, weil der morgendliche Nebel, der von der Bucht herüberdampfte, oft eiskalt war.
Aber diesmal hatte seine gute Absicht dazu geführt, dass Spike entkommen war.
Nun, ich würde jetzt ganz sicher nicht ausrücken, um diesen blöden Kater zu suchen. Wenn er zurückkommen wollte, kannte er ja den Weg. Ich hatte meine Pflicht erfüllt, zumindest in Sachen Timothy. Ich hatte sein Miezi gefunden und es in Sicherheit gebracht. War doch nicht meine Schuld, dass das bescheuerte Viech nicht bleiben wollte.
Ich wollte gerade in die heiße Wanne steigen, die ich mir eingelassen hatte – ich kann am besten denken, wenn ich von Badeschaum umgeben bin –, da klingelte unten auf einmal das Telefon. Ich ging natürlich nicht ran, denn Anrufe waren in den seltensten Fällen für mich. Meistens war Debbie Mancuso dran – trotz Hatschis Beteuerungen, sie seien kein Paar – oder irgendeins der vielen Gacker-Girls, die Schlafmütz sprechen wollten. Der war ja aber wegen seiner strapaziösen Pizza fahrer-Schichten kaum je zu Hause.
Doch diesmal hörte ich Mom nach mir rufen: Pater Dominic wolle mich sprechen. Ob man's glaubt oder nicht – meine Mutter fand es nicht im Geringsten seltsam, dass ich ständig vom Direktor meiner Schule angerufen wurde. Dank meiner Stellung als stellvertretende Jahrgangssprecherin und Vorsitzende des Komitees zur Wiederherstellung von Junipero Serras Kopf gab es zum Glück auch etliche glaubwürdige Gründe, warum der Direktor mit mir sprechen wollte.
Aber in Wirklichkeit rief Pater Dom mich nie zu Hause an, um irgendwas auch nur entfernt Schulbezogenes zu bereden, sondern um mich wegen irgendwas zusammenzustauchen, was mit meiner Tätigkeit als Mittlerin zusammenhing.
Oh Mann. Bestimmt wäre mein Badewasser längst kalt, wenn ich endlich in seinen Genuss kam. Außerdem trug ich nur ein Handtuch und so griff ich ziemlich angesäuert zum Nebenanschluss in meinem Zimmer. Was ich wohl diesmal ausgefressen hatte?
Plötzlich fuhr mir – als wäre ich tatsächlich schon ins kalte Badewasser eingetaucht – ein eisiger Schauer über den Rücken.
Jesse. Meine gehetzte Unterhaltung mit Jesse, bevor ich zu Tad aufgebrochen war. Jesse war zu Pater Dominic gegangen.
Nein, das hatte er nicht gewagt, oder?! Ich hatte ihm doch gesagt, dass er es nicht tun sollte. Außer, ich wäre bis Mitternacht nicht wieder zu Hause. Und ich war um zehn zu Hause gewesen. Noch früher sogar, um Viertel vor zehn.
Unmöglich, dachte ich. Pater Dom konnte unmöglich etwas über Jesse wissen. Er hatte bestimmt keine Ahnung.
Aber ich war trotzdem ziemlich zögerlich, als ich ans Telefon ging.
Pater Dominics Stimme klang herzlich. »Oh, hallo, Susannah«, flötete er. »Tut mir leid, dass ich so spät anrufe, aber ich muss unbedingt noch über die gestrige Schülerratssitzung mit Ihnen sprechen …«
»Schon gut, Pater
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