Susannah 6 - Auch Geister sind romantisch
auch schon öfter gesagt, aber offensichtlich ohne Erfolg.
Das kommt davon, dachte ich, wenn man sich in einen Kerl verliebt, der aus einer Zeit stammt, in der Männer Frauen noch wie zerbrechliche Porzellanpüppchen behandelt haben statt wie Menschen aus Fleisch und Blut. Ich hatte schon hundertmal versucht, ihm beizubringen, dass die Zeiten sich geändert haben. Aber er blieb stur dabei, dass alles unterhalb des Halses tabu sei bis zur Hochzeitsnacht …
Außer wenn wir uns küssten und er für einen winzigen Augenblick vergaß, dass er ein Gentleman aus dem 19. Jahrhundert war. So wie jetzt.
Ich fühlte seine Hand auf meiner Jeans bis zur Hüfte hinaufwandern, während unsere Zungen miteinander spielten. Mir war klar, dass es nur noch eine Frage der Zeit wäre, bis seine Hand unter meinem Oberteil auf die Suche nach meinem BH gehen würde. Innerlich schickte ich ein Dankgebet zum Himmel, dass ich einen mit Frontverschluss anhatte. Mit geschlossenen Augen begab ich mich selbst auf Entdeckungsreise, strich mit meiner Handfläche über die harten Muskeln, die ich durch Jesses Hemd spürte …
Doch statt um den Verschluss meines BH s schlossen sich Jesses Finger plötzlich fest um meine Hand.
»Susannah!« Er sprach keuchend und leicht abgehackt, als er seine Stirn gegen die meine drückte.
»Jesse.« Meine Atmung war auch alles andere als ruhig.
»Du solltest jetzt lieber gehen.«
Woher hatte ich nur gewusst, dass er das sagen würde?
Langsam dämmerte mir, dass wir das hier – also das Knutschen – durchaus öfter (und sehr viel unkomplizierter) hätten machen können, wenn Jesse sich nur endlich von der absurden Idee verabschiedet hätte, dass er bei Pater Dominic bleiben müsste, jetzt wo wir (um es mal so auszudrücken) zusammen waren. Er war doch schließlich anno dunnemals in meinem Zimmer ermordet worden – sollte er als Geist dann nicht auch gefälligst in meinem Zimmer herumspuken?
So sagte ich ihm das natürlich nicht. Jesse mit seiner altmodischen Art hielt gar nichts vom Zusammenleben ohne Ehevertrag. Gleichzeitig verbannte ich Pater Doms Warnungen aus dem Kopf, die er mir vor seiner Abreise nach San Francisco mit auf den Weg gegeben hatte: dass ich der Versuchung durch Jesse nicht erliegen sollte.
Pater Dom hatte gut reden. Der Mann war Priester. Der hatte doch keine Ahnung, wie man sich als heißblütige Teenie-Mittlerin fühlte. Oder überhaupt als Frau.
»Jesse«, sagte ich, langsam wieder zu Atem kommend, »diese Sache mit Paul, die … die geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich meine, was ist, wenn er wirklich eine Möglichkeit gefunden hat, dich und mich auseinanderzubringen? Und jetzt, wo Pater Dom für wer weiß wie lange weg ist … Sag mal, hältst du es nicht auch für besser, wenn du mit zu mir nach Hause kämst? Für eine Weile?«
Auch wenn er eben noch fast die Hand unter meine Bluse geschoben hätte, schien Jesse die Vorstellung ganz und gar nicht zu gefallen. »Wieso, damit du mich vor dem finsteren Mr Slater beschützen kannst?« Hatte ich mir das jetzt nur eingebildet oder klang das tatsächlich eher belustigt als … ähm … erregt? »Danke für die Einladung, querida , aber ich kann schon ganz gut selbst auf mich aufpassen.«
»Aber wenn Paul von Pater Doms Abwesenheit erfährt, stellt er dir vielleicht nach, und wenn ich ihn nicht rechtzeitig aufhalte …«
»Das mag jetzt überraschend klingen, Susannah«, sagte Jesse, während er meine Hand zurück in meinen Schoß legte, »aber ich komme mit Slater bestimmt auch ohne dich zurecht.«
Okay, das klang definitiv belustigt.
»Und jetzt musst du nach Hause«, fügte er hinzu. »Gute Nacht, querida .«
Er hauchte mir einen letzten, flüchtigen Kuss auf die Wange. Jeden Moment würde er verschwinden. Aber ich musste unbedingt noch mehr erfahren. Normalerweise hätte ich Pater Dominic damit belästigt, aber der war ja gerade nicht greifbar.
»Warte«, rief ich schnell, »bevor du gehst, eins noch!«
Jesse hatte schon begonnen, sich aufzulösen. »Was denn, querida ?«
»Die vierte Dimension!«, brach es aus mir heraus.
Jesse materialisierte sich wieder.
»Was ist damit?«, fragte er.
»Ähm …« Ich war mir sicher, dass er glaubte, ich würde auf Zeit spielen und ihn unter einem Vorwand länger hierbehalten wollen. Zum Teil stimmte das wohl auch. »Was ist die vierte Dimension?«
»Zeit«, sagte Jesse.
»Zeit?«, wiederholte ich. »Wie … Zeit?«
»Die Zeit ist die vierte Dimension. Warum willst du das
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