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Susannah 6 - Auch Geister sind romantisch

Susannah 6 - Auch Geister sind romantisch

Titel: Susannah 6 - Auch Geister sind romantisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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Mittlertätigkeit bislang geheim halten können, selbst vor der Kirche. Das war auch kein Problem für ihn: Wie er es gern formuliert, ist Gott sein Chef, und Gott hat die Mittler schließlich erfunden.
    Pater Dom ist aber natürlich nicht ausschließlich Priester. Er ist auch seit Jahren als Lehrer tätig, mit vielen Ehrungen und Auszeichnungen, und schließlich zum Direktor ernannt worden.
    Aber für ihn ist das alles ein bisschen anders. Er glaubt fest daran, dass seine Gabe, die Toten zu sehen und mit ihnen zu kommunizieren, ein Geschenk Gottes sei. Es wäre ihm gar nicht in den Sinn gekommen, diese Gabe als das zu sehen, was sie auch sein konnte: ein Fluch.
    Na ja, nur dass dieser »Fluch« mir überhaupt erst ermöglicht hat, Jesse kennenzulernen.
    Jesse. Die Ankreuzfelder begannen einen wilden Tanz vor meinen Augen, die sich langsam mit Tränen füllten.
    Na toll. Jetzt heulte ich schon mitten im Unterricht. In der Schule!
    Aber ich konnte nicht anders. Hier, vor mir auf dem Tisch, starrte mich meine Zukunft an. Schulabschluss, Uni, Beruf. Zumindest Alibiberuf, mein echter Beruf war ja schließlich mehr als klar.
    Und Jesse? Was für eine Zukunft hatte er?
    »Was ist denn los mit dir?«, zischte CeeCee mir zu.
    Ich trocknete meine Tränen notdürftig mit dem Ärmel meiner Miu-Miu-Bluse. »Nichts«, flüsterte ich zurück. »Nur meine Allergien.«
    CeeCee sah mich skeptisch an. Dann wandte sie sich wieder ihrem Fragebogen zu.
    Ich habe ihn mal gefragt, Jesse, meine ich. Also, was er hatte werden wollen, bevor er starb. Ob er irgendeinen Berufswunsch hegte. Die Frage hatte er nicht verstanden. Ich erklärte es ihm ausführlich und irgendwann lächelte er traurig.
    »Zu meinen Lebzeiten war das alles anders, Susannah. Ich war der einzige Sohn meines Vaters. Ich sollte nach seinem Tod die Ranch erben und meine Mutter und meine Schwestern versorgen.«
    Dabei verschwieg er, dass er außerdem das Mädchen hätte heiraten sollen, dessen Vater die Nachbarsranch besaß. Damit wären beide Ländereien zu einer Art Megaranch verschmolzen. Außerdem ließ er den Teil der Geschichte aus, in der ebendieses Mädchen ihn umbringen ließ, weil es einen anderen Kerl mehr liebte als ihn – einen Kerl, den ihr Vater nicht ausstehen konnte. Das alles musste er mir aber auch gar nicht erzählen, ich wusste es schon. Das Leben war hart, wohl auch schon damals in den 1850ern.
    Was sollte ich auf seine Worte antworten? Jesse hatte ohne Groll gesprochen, aber mir kam das doch alles ganz schön heftig vor. Was wäre gewesen, wenn er gar kein Ranchero hätte werden wollen? »Ich meine, was wärst du denn gerne geworden? Also, wenn du eine Wahl gehabt hättest?«
    Jesse legte die Stirn in Falten. »Keine Ahnung. Das waren damals andere Zeiten, Susannah. Ich war anders. Manchmal … manchmal habe ich überlegt … ich wäre vielleicht gerne Arzt geworden.«
    Arzt. Klang logisch, jedenfalls für mich. Jedes Mal wenn ich mit irgendwelchen Blessuren nach Hause kam – sei es ein Ausschlag von der Begegnung mit Giftsumach oder Blasen an den Füßen –, hatte Jesse sich rührend um mich gekümmert. Er wäre ein sehr guter Arzt geworden.
    »Warum hast du den Wunsch nicht weiter verfolgt?«, wollte ich wissen. »Arzt zu werden? Nur wegen deines Vaters?«
    »Ja, hauptsächlich. Ich habe mich nicht mal getraut, auch nur einer Menschenseele davon zu erzählen. Auf der Ranch hätte man nicht einmal ein paar Tage auf mich verzichten können, geschweige denn all die Jahre, die ein Medizinstudium dauerte. Aber ich glaube, das hätte mir schon gefallen. Ein Medizinstudium. Obwohl, zu meinen Lebzeiten«, fügte er hinzu, »wusste man noch gar nicht so viel über Medizin wie heutzutage. Heute wäre es bestimmt sehr viel aufregender, in der Wissenschaft zu arbeiten.«
    Er musste es wissen. 150 Jahre Fortschritt hatte er mit eigenen Augen gesehen: Elektrizität, Autos, Flugzeuge, Computer … ganz zu schweigen von Penizillin und Impfstoffen gegen Krankheiten, die damals Millionen Opfer gefordert hatten. Die Welt um ihn herum hatte sich immer weiter entfernt von der Welt, in der er aufgewachsen war.
    Aber statt in der Vergangenheit stehen zu bleiben, hatte Jesse willig alles Neue aufgesogen und alles gelesen, was ihm in die Finger kam, ob billige Taschenbücher oder Enzyklopädien. Er hatte eine Menge nachzuholen. Seine Lieblingsbücher waren die dicken Wälzer, die er sich regelmäßig von Pater Dom auslieh, Sachbücher über Philosophie,

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