Susannah 6 - Auch Geister sind romantisch
seine Faust, und die Schnalle glitzerte kurz in der Sonne, bevor er die Hand wieder um sie schloss. »Ach, keine Ahnung. Ich finde sie hübsch.«
»Tausendeinhundertdollarhübsch?« Ich funkelte ihn an und konnte nur hoffen, dass er nicht bemerkte, wie ich zitterte. »Komm schon, Paul, ich bin nicht bescheuert. Ich weiß, warum du das Ding gekauft hast.«
»Wirklich?« Pauls Grinsen brachte mich in Rage. »Klär mich auf.«
»Was du vorhast, wird nicht funktionieren.« Mein Herz wummerte in meinem Brustkorb, aber jetzt gab es kein Zurück mehr. »Jesses Nachname ist de Silva, mit S, nicht mit D. Das ist nicht Jesses Gürtel.«
Eigentlich hatte ich erwartet, dass diese Aussage Paul das schmierige Grinsen aus dem Gesicht radieren würde.
Weit gefehlt. Seine Mundwinkel blieben oben.
»Ich weiß, dass das nicht Jesses ist. Sonst noch was, Suze? Oder kann ich dann gehen?«
Ich starrte ihn nur an. Endlich wurde mein Puls ein bisschen ruhiger. Auch das Rauschen, das mir in den Ohren dröhnte, seit ich Pauls Transaktion bemerkt hatte, ließ nach. Die Stoßatmung war vorbei und ich konnte wieder tief durchatmen.
»Na ja, dann … weißt du’s ja.« Eigentlich lächerlich, wie erleichtert ich war. »Dass du das Ding nicht benutzen kannst, um in die Vergangenheit zu reisen … um Jesse das Leben zu retten.«
»Natürlich«, sagte Paul und grinste noch mehr. »Ich will die Schnalle ja auch benutzen, um Jesses Mörder aufzuhalten. Bis später, Suze!«
Kapitel 10
D iego. Felix Diego. Der Mann, der Jesse ermordet hatte, weil Maria – Jesses abscheuliche Verlobte – ihn darum gebeten hatte. Sie wollte lieber Diego heiraten, den Söldner und Sklavenhändler, als den Mann, den ihr Vater für sie ausgesucht hatte – ihren Cousin (igitt) Jesse.
Jesse war nie bei seiner eigenen Hochzeit aufgetaucht. Auf dem Weg dorthin wurde er nämlich umgebracht. Von Felix Diego. Das wusste nur zu der Zeit niemand. Seine Leiche wurde damals nicht gefunden. Die Leute (inklusive Jesses eigener Familie) dachten, er hätte sich aus dem Staub gemacht, um der Ehe mit der Frau, die er nicht liebte und die ihn nicht liebte, zu entgehen. Maria heiratete dann Felix und gebar ihm einen ganzen Haufen Kinder, die sich später selbst als Mörder und Diebe verdingten.
Vor gar nicht allzu langer Zeit hatten die beiden mich – auf Pauls Geheiß hin – aufgesucht. Paul war nämlich auf Diegos Geist getroffen. Um genau zu sein, er hatte ihn heraufbeschworen.
Und nun wollte Paul verhindern, dass Diego Jesse tötete. Wahrscheinlich indem er Diego selbst kaltmachte. Für uns Wechsler ist es nämlich kein Problem, Leute aus dem Weg zu räumen. Wir müssen nur ihre Seele aus dem Körper lösen und sie zu der spirituellen Zwischenstation geleiten, an der über ihr Schicksal entschieden wird – Himmel, Hölle, Leben nach dem Tode, was auch immer –, und zack! Schon gibt es bei uns auf der Erde wieder einen ungeklärten Todesfall und einen Neuzugang in der Leichenhalle.
Oder im Fall von Diego: im Gefrierhaus. Damals hatte es in Kalifornien nämlich noch kein Leichenschauhaus gegeben.
Aber so würde es nicht ablaufen. Ich musste Paul davon abhalten, sich einzumischen. Nicht dass Diego den Tod nicht verdient hätte. Er war Abschaum. Er hatte schließlich meinen Lover auf dem Gewissen.
Aber wenn Diego starb, hieß das im Umkehrschluss, dass Jesse überlebte.
Und dann würde ich ihm niemals begegnen.
Mir war klar, dass ich Paul nicht allein aufhalten konnte (wenn ich ihn nicht erschlagen wollte). Ich brauchte also Unterstützung.
Gott sei Dank wusste ich auch, wo ich die finden konnte. Als die Auktion vorbei war und Schwester Ernestine mich und Shannon mit einem kurzangebundenen »Ihr dürft gehen« aus ihren Diensten entlassen hatte, machte ich mich auf die Suche nach Moms Auto. Sie hatte es mir großzügigerweise für heute überlassen, weil ich mich doch als »Freiwillige« für den Verkaufsstand gemeldet hatte. Paul war gleich nach seiner Ankündigung, Felix Diego kaltzumachen, verschwunden. Ich hatte keine Ahnung, wohin.
Aber ich konnte es mir denken.
Während ich auf den Scenic Drive einbog, ging langsam die Sonne unter. Der Himmel färbte sich im Westen leuchtend rot und das Licht verwandelte das Meer in einen Flammensee. Die Sonnenstrahlen spiegelten sich auch in den Fenstern der Nobelvillen, an denen ich vorbeifuhr, was es unmöglich machte, hineinzublicken.
Hinter diesen Fenstern machten sich Familien gerade an die Vorbereitung des
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