Susannah Bd.3 - Auch Engel sind gefährlich
jetzt beschlossen, mich nur noch zu besuchen, wenn ich schlafe, oder wie?«
»Du hast Schlimmes durchgemacht«, antwortete Jesse. Er schien sich ziemlich unbehaglich zu fühlen. So extrem hatte ich das bisher noch nie bei ihm erlebt. »Deine Mutter
… Ich habe gehört, wie sie zu Hause jedem eingebläut hat, nichts zu tun, was dich belasten oder aufregen könnte.«
»Dich zu sehen, regt mich aber nicht auf«, sagte ich.
Ich war gekränkt. Sehr gekränkt. Ich meine, okay, er war sauer auf mich, weil ich Michael zum Aussichtspunkt gelockt hatte, damit die RLS-Engel ihn töten konnten. Aber das konnte doch nicht heißen, dass er nie wieder mit mir reden würde, oder?
Echt krass.
Er musste mir angesehen haben, wie verletzt ich war, denn er sprach jetzt mit der sanftesten Stimme, die ich je an ihm erlebt hatte. »Susannah, ich …«
»Nein«, unterbrach ich ihn. »Lass mich bitte zuerst. Jesse, es tut mir leid. Es tut mir so leid, was neulich Nacht passiert ist. Es war alles meine Schuld. Ich kann es selber nicht glauben, dass ich das getan habe. Und ich werde mir selber nie verzeihen, dass ich dich da mit reingezogen habe.«
»Susannah …«
»Ich bin der schlechteste Mittler, den es gibt«, fuhr ich fort. Wenn ich mal loslege, bin ich schwer zu stoppen. »Der schlechteste, den es je gegeben hat. Ich sollte aus der Mittler-Vereinigung ausgeschlossen werden. Ehrlich. Was ich getan habe, was einfach nur abgrundtief bekloppt. Und ich könnte es dir nicht verdenken, wenn du nie wieder mit mir sprechen willst. Aber …« Ich blickte zu ihm hoch, in meinen Augen standen Tränen. Aber diesmal machte es mir nichts aus, dass er sie sah.
»Bitte versuch, mich zu verstehen: Er wollte mich und meine Familie umbringen. Das konnte ich ihm doch nicht durchgehen lassen. Begreifst du?«
Und da tat Jesse etwas, was er noch nie getan hatte - und wohl nie wieder tun würde.
Es geschah so schnell, dass ich hinterher fast nicht mehr wusste, ob es wirklich passiert war oder ich das nur meinem medikamentenverseuchten Hirn zu verdanken hatte.
Nein, ich bin mir ziemlich sicher, dass er mir echt über die Wange gestrichen hat.
Ja, das war’s. Sorry, wenn hier jetzt größere Hoffnungen entstanden sind. Er strich mir über die Wange - den wahrscheinlich einzigen Teil meines Körpers, der nicht zerkratzt, verbeult oder gebrochen war.
Egal. Er hatte meine Wange berührt. War mit den Fingerrücken, nicht den Kuppen, über meine Haut gefahren.
Dann ließ er die Hand wieder fallen.
»Ja, querida «, sagte er. »Ich verstehe.«
Mein Herz fing so schnell an zu schlagen, dass ich mir sicher war, er könnte es hören. Außerdem taten mir - überflüssig, das zu erwähnen - mächtig die Rippen weh. Jeder Pulsschlag fühlte sich an, als würde mein Herz gegen die Rippen hämmern.
»Ich war nur so wütend, weil ich verhindern wollte, dass dir so etwas passiert.«
Er zeigte auf mein Gesicht. Wahrscheinlich sah ich wirklich ziemlich übel aus.
Aber das war mir egal. Er hatte meine Wange berührt. Und seine Berührung war sanft und für einen Geist ganz warm gewesen.
Jämmerlich, was? Dass eine einzige schlichte Geste mich so glücklich machen konnte.
»Ich komm schon wieder auf die Beine«, sagte ich wie ein Idiot. »Die haben gesagt, ich brauch nicht mal eine kosmetische Operation.«
Als wüsste ein Kerl, der 1830 geboren wurde, was eine kosmetische Operation ist! Susannah, die Meisterin im Zerstören romantischer Stimmungen.
Aber Jesse wich nicht zurück. Er blieb neben meinem Bett stehen und sah zu mir runter, als wollte er noch etwas sagen. Und ich war nur zu gern bereit, ihn weitersprechen zu lassen. Vor allem wenn er mich dabei wieder querida nannte.
Nur dass er dazu nicht mehr kam. Denn in diesem Augenblick platzte Gina ins Zimmer, zwei Dosen Cola light in der Hand.
»Weißt du was?«, sagte sie, während Jesse mit einem letzten Lächeln in meine Richtung verschwand. »Ich hab deine Mom auf dem Flur getroffen, und sie sagt, dein zweites MRT wäre total normal. Du darfst nach Hause! Sie erledigt gerade den ganzen Papierkram. Ist das nicht klasse?«
Ich grinste sie an, obwohl meine Lippe dabei höllisch spannte. »Ja, klasse«, sagte ich.
Gina blickte mich neugierig an. »Wieso bist du denn so happy?«, fragte sie.
Ich grinste sie weiter an. »Du hast doch gerade gesagt, ich darf nach Hause.«
»Ja, aber du hast schon so happy ausgesehen, bevor ich das gesagt hab.« Sie kniff die Augen zusammen. »Suze. Was ist los? Was
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