Susanne Barden 02 Zeig, was du kannst
könnte mich nicht konzentrieren«, sagte sie langsam. »Ich glaube, sie hat recht.«
»Aber warum kannst du es nicht?«
Susy zögerte ein wenig. »Ich glaube - weil mich die Arbeit langweilt.«
»Langweilt?«
»Du denkst wohl, ich sei übergeschnappt. So etwas zu sagen, nachdem ich wie versessen aufs Operieren war!«
Susy ging zu dem Waschbecken hin und sah zu, wie Kit energisch mit der Bürste hantierte. »Sieh mal«, fuhr sie fort, während sie mühsam nach einer Erklärung suchte, »für eine Schwester ist Operieren eben doch nicht das, was ich erwartet habe.«
»Was in aller Welt hast du denn erwartet?«
»Ich dachte, wir würden viel mehr zu tun haben - richtig assistieren, wie die Assistenzärzte.«
»Aber, Susy, wir assistieren doch auch. Du bist ja verrückt.«
»Aber es ist so schrecklich eintönig, wenn man den Verlauf einer Operation erst einmal kennt. Wir haben nur Gazetupfer und Nadeln zuzureichen, weiter nichts. Ebensogut könnten wir Balljungen auf einem Tennisplatz sein.«
»Beim Tennis geht es nicht um Leben und Tod. Denk doch nur daran, was die Ärzte bei jeder Operation leisten!«
»Ja, ja, ich weiß! Ich kenne die Geschichte der Medizin ebenso gut wie du. Ich schätze die Arbeit des Chirurgen und finde sie wundervoll. Aber die Rolle, die ich dabei spiele, füllt mich einfach nicht aus. Ich kann mir nicht helfen.«
»Was möchtest du denn tun?«
»Ich weiß nicht. Ich dachte es mir so schön, Operationsschwester zu sein, aber nun gefällt es mir gar nicht. Was findest du denn daran interessant, Katgut durch eine völlig phantastische Nadel zu fädeln?«
»An sich nichts. Dennoch empfinde ich ganz anders als du. Es gefällt mir, wenn die Instrumente zierlich aufgereiht auf meinem Tisch liegen. Ich nehme sie gern in die Hand. Ich liebe es, wenn der Chirurg wortlos seine Hand ausstreckt und sie um das Instrument schließt, das ich hineinlege - das richtige Instrument natürlich. Es befriedigt mich, wenn ich sehe, daß ihm nichts fehlt. Jedesmal, wenn ich an einer Operation teilnehme, habe ich das Gefühl, selber Geschichte zu machen. Ich finde es herrlich, interessant und befriedigend.«
Susys Augen füllten sich mit Tränen. »Du bist gut dran«, stieß sie hervor. »Oh, Kit, ich darf im Operationssaal nicht versagen! Mein Zeugnis würde darunter leiden. Bisher galt ich doch als eine einigermaßen brauchbare Krankenschwester.«
»Das kann man wohl sagen«, antwortete Kit warm. »Mach dir keine unnötigen Sorgen, Susy. Es hat keinen Sinn, daß du dich derartig aufreibst. Gewiß hat es schon vor dir tüchtige Schwestern gegeben, die beim Operieren nicht so gut waren. Deswegen wird die Schulleitung dich nicht gleich in Acht und Bann tun.«
»Vielleicht hast du recht. Aber es wird von uns verlangt, daß wir uns überall bewähren, nicht nur auf bestimmten Gebieten. Fräulein Lester sagte, sie müsse ungünstig über mich berichten, falls ich mich nicht bessere. Um das Maß voll zu machen, hat sie mich Dr. Carlson für eine Gallenblasenoperation zugeteilt.«
»Carlson!« Kit stieß einen Pfiff aus. »Der verspeist Operationsschwestern roh zum Frühstück.«
»Du verstehst es, zu trösten«, entgegnete Susy mit einem schwachen Lächeln.
Kit schwieg. Sie trat auf einen Fußhebel unter dem Waschbecken, wartete, bis das Wasser abgelaufen war, und trat dann auf einen anderen Hebel, um Hände und Arme unter dem reinen Wasserstrahl abzuspülen, der aus einem Hahn strömte. »Wenn ich dir doch helfen könnte!« sagte sie schließlich. »Aber ich wüßte wirklich nicht wie. Jetzt muß ich gehen. Wir müssen noch einmal ausführlicher über die Sache sprechen. Du weißt, daß mich’s interessiert.«
»Ja, Kit. Vielen Dank.«
Kit verschwand, eine Tropfenspur hinter sich lassend. Susy riß sich zusammen. Es hatte keinen Zweck, den Kopf hängenzulassen und zu grübeln. Sie wollte etwas tun, um sich abzulenken.
Als sie auf den Korridor hinaustrat, erschien Dr. Barry im weißen Kittel aus der gegenüberliegenden Tür, die ins Laboratorium führte. Susys Augen leuchteten auf. Sie wollte ihm von ihren Schwierigkeiten erzählen. Doch schon im nächsten Augenblick besann sie sich anders. Es wäre taktlos, einem Chirurgen zu sagen, daß sie Operieren langweilig fand.
»Guten Tag, Susanne«, sagte er. »Ich habe hier auf Sie gewartet. Ich wollte Sie bitten, sich um einen Patienten zu kümmern.«
»Sehr gern. Warum sind Sie nicht hereingekommen?«
Er lachte jungenhaft. »Ach, das Zimmer ist mir zu
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