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Susanne Barden - 03 in New York

Susanne Barden - 03 in New York

Titel: Susanne Barden - 03 in New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen D. Boylston
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liebsten möchte ich Ihnen das ganze Paket hierlassen.«
    Als Susy fortging, war ihr Fischpaket bedeutend leichter geworden. »Geben macht seliger denn Nehmen«, murmelte sie vor sich hin und lachte laut heraus. All ihre Angst war verflogen. Ihr erster Tag als Henry-Street-Schwester versprach recht erfolgreich zu werden.
    Schmunzelnd ging sie weiter und zog ihre Besuchsliste vor. »Frau Levitsky«, las sie. »Insulinbehandlung. Ob sie gern Fisch ißt?«
    Frau Levitsky wohnte in einem düsteren alten Hinterhaus. Susy stieg über abgeblätterten Putz die steile Treppe hinauf. Die verschiedensten Gerüche begleiteten ihren Weg; im ersten Stockwerk war es Kohlengas, im zweiten Kohlsuppe, im dritten Sauerkraut, im vierten Knoblauch. Da Susy keine Klingel an der Tür fand, klopfte sie an. Eine kräftige alte Frau mit einem stark hervortretenden Bauch, schneeweißem Haar und schwarzen struppigen Augenbrauen öffnete ihr die Tür. Sie ähnelte so sehr einem alternden Airedaleterrier, daß
    Susys Begrüßungslächeln breiter als beabsichtigt ausfiel.
    Frau Levitsky sprach sehr wenig Englisch. Ihre lebhaften Augen funkelten, während sie pausenlos auf Susy einredete. Susy verstand nur hin und wieder ein Wort, erriet jedoch, daß Frau Levitsky sich über etwas beklagte. Sie war bereits über achtzig, stand ganz allein da, lebte von Unterstützung und war zuckerkrank. Aber keins dieser Übel schien die Ursache ihrer Beschwerden zu sein. Susy blickte sich in der Wohnung um. Sie bestand aus einer sonnigen Küche und einer winzigen fensterlosen Kammer. Die Möbel sahen ärmlich aus. Auf dem kleinen Herd stand ein großer Topf mit Wasser, in dem eine einsame Zwiebel schwamm. Susy zeigte fragend hierhin und dorthin.
    Frau Levitsky schüttelte energisch den Kopf. »Straße!« rief sie ärgerlich. »Straße!«
    Die Küchenfenster sahen auf einen kleinen Park hinaus, der zu einem neuen Wohnblock gehörte. Ein paar Babys schliefen in ihren Wagen, während ihre Mütter dösten oder sich miteinander unterhielten. Es war eine schöne Aussicht mit viel Grün, mit Raum und Licht. »Hübsch!« sagte Susy aufmunternd.
    »Nicht hübsch!« widersprach Frau Levitsky heftig. »Straße!«
    »Ach so!« Plötzlich ging Susy ein Licht auf. »Sie wollen auf die Straße gucken?«
    »Ja, Straße!«
    Susy sah die bunten Wagen in Hester Street vor sich. Ihr fielen die alten Leute ein, die in stiller Zufriedenheit auf den Treppenstufen vor den Häusern saßen und das Leben um sich herum beobachteten: die spielenden Kinder, die Liebespaare, die Händler und die Käufer. Dies war ihre Welt, und solange sie das lebhafte Treiben vor Augen hatten, gehörten sie mit dazu. Frau Levitsky aber war auf einen Raum beschränkt, von dem aus sie nur einen stillen Park mit Kinderwagen sehen konnte. Parks bedeuteten Frau Levitsky nichts. Sie wollte wimmelndes Leben um sich haben.
    >Und sie soll bekommen, was sie sich wünschte, beschloß Susy bei sich. >Vielleicht kann ich ihr ein anderes Zimmer besorgen, das nach der Straße hinausgeht. Ich werde Fräulein Russell fragen, ob sich das machen läßt.< Sie wollte der alten Frau jedoch keine Hoffnungen machen, die vielleicht nicht erfüllt werden konnten. Geschäftig nahm sie die Insulinspritze aus der Tasche. Nachdem sie Frau Levitsky das Insulin eingespritzt hatte, schenkte sie ihr den Rest der Fische.
    Frau Levitskys Augenbrauen bebten vor freudiger Überraschung. »Für mich?« fragte sie ungläubig.
    »Ja.«
    Die knotigen geschwollenen Hände der alten Frau zitterten, als sie das Paket auspackte. Weiß leuchtete das frische Fischfleisch auf dem schäbigen Küchentisch. Die Frau sah mit Tränen in den Augen zu Susy auf. »Danke!« stammelte sie. »Danke!«
    Der Ton ihrer Stimme klang Susy noch immer in den Ohren, während sie die dunkle Treppe hinabstieg und auf die Straße trat - die häßliche, laute, schmutzige Straße, die für Frau Levitsky das Leben bedeutete.
    »Ihr Wunsch soll erfüllt werden!« Susys Lippen formten sich zu einer scharfen Linie. »Ich will es! Ich werde es erreichen! Himmel, was für ein Vormittag! Wenn der Nachmittag auch so —« Ihr fiel ein, daß sie nachmittags keine Besuche machen würde, da ein weiterer Vortrag für die neuen Schwestern stattfand. >Gerade da ich anfange, mich einzuarbeiten!< dachte sie ein wenig enttäuscht.

Die erste Woche
    Der Vortrag behandelte die Säuglingspflege. Die anempfohlene Methode unterschied sich im wesentlichen nicht von dem, was Susy im Krankenhaus gelernt

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