Susanne Barden - 03 in New York
eine schöne Bescherung! Effie hatte ein derartiges Talent, alles falsch zu verstehen, daß neue Erklärungen nutzlos waren. Aber es mußte doch einen Weg geben, sich ihr verständlich zu machen.
»So hatte ich das nicht gemeint«, sagte Susy nach kurzem Überlegen. »Nun geben wir Alonzo zuerst einmal die Sternenkarte zurück. Es schadet nichts, daß er sie schmutzig gemacht hat. Sie gehört ihm.« Dann wandte sie sich an Mary. »Hat er gestern am Daumen gelutscht?«
»Nein. Er gab sich so viel Mühe, es nicht zu machen.«
Susy lächelte Alonzo zu. »Das ist brav, Alonzo. Komm, jetzt kleben wir den Stern ein.«
Während sie dann Marys Bett machte, versuchte sie Effie zu zeigen, wie ihr Ratschlag gemeint gewesen war. »Hilf mir ein wenig, Alonzo«, sagte sie. »Leg deinen Arm unter Marys Kopf, während ich das Kissen umdrehe. Das hast du fein gemacht, Junge! Wie groß und stark du schon bist!«
Alonzos Gesichtchen strahlte. »Groß und stark«, wiederholte er stolz.
»Ich werde deiner Ma sagen, wie schön du mir geholfen hast.«
Alonzo neigte den Kopf, und sein rechter Daumen näherte sich dem Mund. Doch schnell riß er ihn fort und sah triumphierend zu Susy auf. Sie sparte nicht mit ihrem Lob. Dann gab sie ihm die kleine Abfalltüte. »Bring das bitte in die Küche, Alonzo.«
Alonzo nahm die Tüte in beide Hände und trug sie sorgsam fort. Susy wandte sich zu Effie. »So mußt du es machen, Effie. Du sollst ihn nicht schelten oder schlagen. Und du darfst ihn nicht wieder in den Kohlenkeller sperren. Bring ihn einfach in die Küche, wenn er wütend wird, und mach die Tür hinter ihm zu - aber ruhig und schnell. Man muß ihn überraschen und dann sich selbst überlassen, bis er sich beruhigt hat.«
»Ja«, sagte Effie, die ihre lustigen Nachmittage auf der Straße
aufhören sah, ehe sie noch recht begonnen hatten.
Alonzo kam mit einem kleinen Wecker in der Hand zurück, den er mit verzücktem Gesichtsausdruck an sein Ohr hielt. Bevor Susy eingreifen konnte, hatte sich Effie mit einem Wutschrei auf ihn gestürzt. »Unartiger Bengel! Gib sofort die Uhr her!« Und schon hatte sie ihm eine klatschende Ohrfeige versetzt. »Ich werde dich schon überraschen!« krähte sie.
Der darauf folgende Wutanfall des kleinen Alonzo war ein Meisterstück. Unter gellendem Geschrei ergriff er alles, was er erreichen konnte - unter anderem ein Wasserglas und einen Teller von Marys Nachttisch - und schleuderte es nach Effie. Dann warf er sich auf die Erde, wühlte in seinen Haaren und schlug mit den Füßen um sich.
»Jetzt sehen Sie, wie er ist!« rief Effie schrill.
Susy, deren ganze Sympathie auf Alonzos Seite war, hob ihn ungeachtet seiner strampelnden Beine hoch und trug ihn in die Küche. Dann machte sie die Tür hinter ihm zu und kehrte ins Zimmer zurück. »So macht man es, Effie. Er wird sich schnell beruhigen. Paß auf, was ich tue, wenn er wiederkommt.«
»Ja, Schwester.« Effies Ton klang gelangweilt.
Susy war verzweifelt. Wenn das so weiterging, würde Alonzo bald ohne seine Schuld ein schwieriges Kind werden. Und Effie — Plötzlich gab es Susy einen Ruck. >Daß ich nicht früher darauf gekommen bin! Es ist Effie, die erzogen werden muß, nicht Alonzo. Aber wie soll ich das anstellen? Für eine Sternenkarte ist das Mädchen schon zu groß. Es müßte etwas Ähnliches sein, etwas, das zu ihrem Alter paßt.< Schließlich hatte sie eine Idee. »Hör mal zu, Effie!«
»Ja?«
»Möchtest du gern ein Paar Rollschuhe für dich allein haben?«
»O Schwester, ich würde verrückt werden vor Freude!«
Effies Augen strahlten.
»Wenn du einen Monat lang mit Alonzo alles so machst, wie ich dir sage, werde ich dir ein Paar schenken.«
»Ich will alles tun, was Sie wollen, Schwester.«
»Dann hör einmal gut zu! Du darfst Alonzo niemals schlagen und auch nicht schelten. Laß ihm seine Sternenkarte. Sage nichts, wenn er am Daumen lutscht. Tut er es aber nicht, so gibst du ihm einen Stern. Bitte ihn, Mary zu helfen, so wie ich es eben getan habe, aber gib ihm keine Befehle. Sag nicht zu ihm, daß er unartig ist. Er ist gar nicht unartig. Du hast gesehen, wie man ihn bei einem Wutanfall
behandeln muß. Gleich wirst du auch die Wirkung sehen.«
»Ja, Schwester.«
»Alonzo wird bald merken, daß es ihm gut geht, wenn er artig ist, daß es ihm aber schlecht geht, wenn er unartig ist. Lobe ihn, wenn er artig ist, sag aber nichts, wenn er unartig ist, ganz gleich, was er anstellt. Kriegt er einen Wutanfall, so bring ihn
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