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Susanne Barden - 03 in New York

Susanne Barden - 03 in New York

Titel: Susanne Barden - 03 in New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen D. Boylston
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Unterrichten hatte, war trotz ihrer Sorge um Bill und der schmerzlichen Trennung vom Henry-Kreis vom ersten Tag an mit Feuereifer bei ihrer Arbeit. Die Farbigen erkannten sehr gut, was sie an der Schwester hatten. Sie nahmen jeden Rat willig an und scheuten keine Mühe, ihn zu befolgen. Zwar hatten sie noch vieles zu lernen; doch hielten sie von altersher auf Sauberkeit und waren stolz darauf. Obwohl die Häuser oft vernachlässigt und reparaturbedürftig waren, kam Susy selten in eine schmutzige Wohnung. Selten auch war ein Zimmer unordentlich, selbst wenn es mit allerlei Krimskrams vollgestopft war. Jeder Gegenstand hatte seinen Platz, und nirgends lag Staub. Die Fenster blitzten, der Fußboden glänzte, das Bettzeug war stets sauber. Fast immer fand Susy ein Familienmitglied mit Waschen oder Bügeln beschäftigt. Die Schwesterntracht flößte überall Vertrauen ein, und so wurde Susy auch überall vertrauensvoll empfangen.
    Als sie ihre Runden bereits allein machte, hatte sie eines Tages Gelegenheit, einer Mutter von sechs Kindern Ratschläge zu erteilen, wie sie ihre Familie richtig ernähren und mit dem kärglichen Einkommen ihres Mannes auskommen könnte. Die Frau hörte aufmerksam zu. Unterdessen aßen die Kinder ihr Mittagsbrot. Sie hatten sich um einen Topf mit Hammelfleisch geschart, der auf dem Herd stand, und während sie mit ihren blanken schwarzen Augen unverwandt zu dem interessanten Besuch hinstarrten, tauchten sie ihre kleinen braunen Hände in den Topf, wühlten darin herum und schoben den ergatterten Bissen ohne hinzusehen in den Mund.
    »Essen die Kinder immer im Stehen?« fragte Susy die Mutter.
    »Ja, sicher.« Die Frau schien überrascht von der Frage zu sein.
    »Das ist aber nicht gut für die Verdauung«, sagte Susy. »Sie sollten am Tisch sitzen. Jedes Kind sollte seinen eigenen Teller und Messer und Gabel haben und das Essen der anderen nicht mit den Händen berühren. Wenn sie es jetzt schon lernen, anständig zu essen, werden sie es später viel leichter haben.«
    »Gewiß, Schwester. Ja, Schwester.«
    Susy, mit der Harlemer Bevölkerung noch unvertraut, war nicht sicher, ob die Frau sie richtig verstanden hatte und ob sie ihre Ratschläge zu befolgen gedachte. Daher ging sie am nächsten Tag wieder zur Mittagszeit in die Wohnung. Dieser Besuch machte ihr klar, was sie in ihrem Bezirk zu erwarten hatte.
    Der einzige Tisch im Zimmer, der gestern unbenutzt dagestanden hatte, war heute mit sauberem Zeitungspapier bedeckt. Um ihn herum saßen auf Kisten die sechs Kinder, jedes ein Schüsselchen mit Maisbrei und ein Glas Milch vor sich und einen Löffel in der Hand. Der Vater, der zum Mittagessen nach Hause gekommen war, achtete darauf, daß alle ordentlich aßen.
    »Das ist ja wundervoll!« rief Susy begeistert. »Genauso hab ich’s gemeint.«
    Die Mutter lächelte geschmeichelt, so daß ihre weißen Zähne blitzten. »Wir sind Ihnen sehr dankbar«, sagte der Mann mit natürlicher Liebenswürdigkeit. »Wir wollen, daß unsere Kinder anständig erzogen werden.«
    Noch an demselben Tag erlebte Susy ein zweites Beispiel dafür, wie willig die Farbigen jede Lehre aufnahmen. Frau Egan war mit Arbeit überlastet und hatte Susy gebeten, eine Patientin von ihr zu besuchen. Es war eine Negerin, die kurz vor ihrer Niederkunft stand. Susy fand sie im Bett vor; es war durch einen Vorhang von dem übrigen Teil des einzigen Zimmers der Wohnung abgeteilt, in dem ein siebenjähriger Junge spielte. Auf der Nähmaschine lag Zeitungspapier ausgebreitet, damit die Krankenschwester ihre Tasche darauf stellen könne. Die Kommode war für die Instrumente des Arztes freigemacht, und die Kleidung für das Baby lag sorgsam zusammengefaltet unter dem Kopfkissen der Frau.
    Dieses eifrige Bemühen um eine verfeinerte Lebensführung erschien Susy zugleich rührend und bewunderungswürdig.
    >Ich bin froh, daß ich diesen Bezirk bekommen habe, und will alles tun, um den Leuten zu helfen<, dachte sie bei sich. >Wenn Bill wüßte, wie es hier ist, würde er mich verstehen. Er würde genauso denken wie ich. Ach, und wenn er die Kinder sähe!<
    Die Kindererziehung war ein schwieriges Problem in Harlem. Sie war meist jungen Mädchen von vierzehn oder fünfzehn Jahren überlassen, die sich um die kleineren Geschwister kümmern mußten, während ihre Eltern außer Haus arbeiteten.
    Man kann einer besorgten Mutter ohne große Schwierigkeiten klarmachen, daß die Erziehung von Kind an den Menschen formt. Viel schwieriger ist es

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