Susanne Barden - 03 in New York
ich denke schon, aber ...«
Bill beugte sich vor. »Hör mal, meine Liebe - von Springdale ist das nächste Krankenhaus fünfzig Meilen entfernt und nur über schwierige Bergstraßen zu erreichen. Es gibt dort keine Gemeindeschwester, und ich bin der einzige Arzt. Niemand außer mir kann den Leuten helfen, wenn sie krank werden oder einen Unfall haben. Du kannst in Springdale dasselbe tun wie hier - und dort wirst du viel nötiger gebraucht. Wir könnten zusammen arbeiten und gemeinsam etwas aufbauen. Leicht wird es nicht sein. Wir werden oft nachts aufstehen, uns durch Schneestürme schlagen, mit dem Wagen durch Flüsse fahren oder meilenweit zu Fuß gehen müssen, um ein Kind zur Welt zu bringen, einen Blutsturz zu stillen oder in einsam gelegenen Bauernhäusern Lungenentzündungen und Schlangenbisse zu behandeln. Wir werden mit Schußwunden und Gehirnerschütterungen zu tun haben, mit Knochenbrüchen und Grippeepidemien, mit seelischen Krisen und Familientragödien. Die Menschen dort oben brauchen dich mehr, als du hier gebraucht wirst, wo es einen Haufen von Ärzten, Krankenschwestern und Kliniken gibt.«
Susys Augen leuchteten. Sie hatte vergessen, worum es ihr eigentlich ging. Sie sah nur die einsamen Dörfer mit ihren Nöten vor sich. Sie kannte die zähen Menschen ihrer Heimat, kannte ihre Schwächen und ihre Stärken, ihre Güte und ihren Starrsinn und ihr hartes Leben. »O Bill!« rief sie hingerissen. »Das wird wundervoll!«
Bill fuhr in seinem Stuhl hoch; sein Gesicht glühte. »Du kommst also?«
Das Leuchten in Susys Augen erlosch. »Jetzt kann ich noch nicht. Verstehst du denn nicht? Ich komme, sobald es geht, und dann bleiben wir unser ganzes Leben lang zusammen. Aber zuerst muß ich noch eine Weile hierbleiben.«
Bills Gesicht verdüsterte sich. »Ich finde, du bist ein bißchen zu idealistisch. Du wandelst in einem rosigen Nebel von Edelmut und Selbstaufopferung umher -« Er machte eine Pause und fuhr dann fort: »Hast du eigentlich schon etwas davon gesagt, daß du fortgehen willst?«
»Nein, natürlich nicht!«
»Dann weißt du ja auch gar nicht, wie man in Henry Street darüber denkt. Bist du durch einen Kontrakt gebunden?«
»Nein, keine Schwester schließt einen Kontrakt mit der HenryStreet-Stiftung.«
»Ja, um Himmels willen, was soll denn das alles? Hat man dir gegenüber die Erwartung ausgesprochen, daß du eine gewisse Zeit bleiben wirst?«
»Nein, aber sie sagen, eine Schwester sei eigentlich erst von Nutzen, wenn sie mindestens ein Jahr lang in ihrem eigenen Bezirk arbeitet.«
»Sind das deine ganzen Gründe? Du hast keinen Kontrakt unterschrieben. Niemand hat die Erwartung ausgesprochen, daß du eine bestimmte Zeit bei der Organisation bleiben wirst. Du sagst selber, daß du dich nicht erkundigt hast, wie man dort über deinen Abgang denkt. Und außerdem stehen immer eine Menge Schwestern auf der Warteliste.«
»Aber Bill, es handelt sich doch nicht darum, was die andern denken, sondern wie ich fühle. Kannst du mich denn nicht verstehen?«
»Oh, ich verstehe dich sehr gut. Aber gesetzt den Fall, du würdest krank? Müßte Henry Street dann nicht auch ohne dich auskommen?«
»Ja, natürlich! Aber wenn ich krank würde, könnte ich nichts dafür. Ginge ich jedoch jetzt schon ab, wäre es meine Schuld, und es wäre nicht fair von mir. Als ich nach New York ging, sagtest du, ich hätte so viel Zeit wie ich wollte. Konnte ich wissen, daß du deine Meinung so rasch ändern wirst? Ich glaubte natürlich, du werdest zu deinem Wort stehen.«
Der Kellner brachte den Kaffee. Nachdem er verschwunden war, sagte Bill niedergeschlagen: »Ja, das ist wahr. Aber ich hatte ja keine Ahnung, wie entsetzlich dieses Warten sein würde.«
Susy schwieg. Sie war sehr blaß geworden.
Bill beugte sich vor. »Ist es dir eigentlich nie in den Sinn gekommen, daß du auch ein wenig auf meine Wünsche Rücksicht nehmen müßtest, nachdem du mir dein Jawort gegeben hast? Der Mann hat auch ein Wörtchen darüber mitzureden, was seine Frau tut. Ich frage dich noch einmal - zum letztenmal - willst du mich im nächsten Monat heiraten?«
Susy, die ganz bestürzt über seinen Ton war, bemerkte nicht die Verzweiflung in seinen Augen. »Ich - ich kann nicht, Bill. Bitte, versteh mich doch! Es - es wird nicht mehr lange dauern - wirklich! Vielleicht noch - anderthalb Jahre - dann wären es im ganzen zwei Jahre und ...«
»Noch anderthalb Jahre!« Bill ließ sich zurücksinken und starrte verloren über die
Weitere Kostenlose Bücher