Susanne Barden 06 - Heiter bis bewölkt
waren und wie lange es gedauert hatte, bis sie die vertraute Klinke der Haustür in ihrer Hand fühlte. Wie im Traum sprach sie mit Anne, telefonierte sie mit Bill. Dann rief sie die Polizei an.
Eine angstvolle Nacht
Als Bill eintraf, lief Susy ihm entgegen und umschlang ihn zitternd. »Nun, nun, wir werden sie schon finden«, sagte er tröstend, obwohl er ebenso bleich aussah wie sie.
Kurz darauf fuhr ein Polizist auf einem Motorrad vor. Der große freundliche Mann strömte eine beruhigende Sicherheit aus, und Susy beantwortete seine Fragen mit fester Stimme. Das Geräusch des Motorrades hatte auch Leila aus dem Haus gerufen. Ihre Augen waren gerötet. Sie hielt Lindes kleinen gelben Strandanzug in der Hand und drückte ihn an sich. Sofort nach ihrer Rückkehr hatte sie im Hotel Kahlschlag angerufen. Ihr Mann war noch nicht vom Angeln heimgekommen. Sie hatte hinterlassen, er möge bei den Barrys anrufen. Bisher hatte er sich noch nicht gemeldet, und so kam sie sich recht verlassen vor.
Nachdem der Polizist sich den Tatbestand notiert hatte, klappte er sein Notizbuch zu. »Keine Sorge! Wir finden die Ausreißer schon«, sagte er zuversichtlich. »Kleine Kinder laufen niemals sehr weit. Kann ich bei Ihnen telefonieren, Doktor?«
Etwas ruhiger folgten Leila und Susy den beiden Männern ins Haus. Hätten sie gewußt, daß die Kinder unverletzt waren, so wären sie fast unbekümmert gewesen. Aber das konnten sie ja nicht wissen; immer wieder drängten sich ihnen die schrecklichsten Vorstellungen auf, was den Kleinen zugestoßen sein könnte. Sie vermochten nicht lange auf einem Platz sitzen zu bleiben. Unruhig wanderten sie durchs Haus und fanden sich schließlich immer wieder bei Anne ein, deren unerschütterliche Ruhe und Zuversicht ihnen wohltat.
»Die Polizei findet die Kinder bestimmt«, sagte sie. »Es ist ja noch eine Stunde vor Sonnenuntergang, und auch nachher bleibt es noch eine Weile hell. Außerdem sind die Nächte jetzt warm, und am Himmel zeigt sich kein Wölkchen. Die beiden werden sich irgendwo zusammenrollen und schlafen. Sie sind ja vernünftig angezogen, und etwas zu essen haben sie auch.«
»Aber sie werden durstig sein«, meinte Leila.
»Dort oben gibt es genug Quellen, aus denen sie trinken können.«
Anne hatte auch den guten Einfall, Bettina und Jerry zu den Todds zu schicken und sie dort übernachten zu lassen. Susy wollte anfangs nichts davon wissen, gab aber schließlich nach. Die Aufregung, die das Haus erfüllte, würde die Kinder nur unnötig beunruhigen; der
Lärm der Motorräder und Autos würde sie nicht schlafen lassen. Nein, es war wirklich besser, sie fortzubringen. Außerdem bedeutete es immer ein besonderes Fest für sie, bei den Todds zu übernachten. Natürlich mußte Susy ihnen erklären, was geschehen war. »Jonny und Linde sind so weit in den Wald gegangen, daß sie den Weg nicht mehr zurückgefunden haben. Aber Pa wird sie holen.«
Anne hatte die Kinder gebadet, während Susy die Fragen des Polizisten beantwortete. Später sorgte sie dafür, daß sie im Kinderzimmer blieben, bis der Wagen der Todds eintraf. Beim Abschied umarmte Susy sie innig und küßte sie zärtlich.
Kaum waren sie abgefahren, da trafen auch schon ein paar Polizeiwagen ein. Bald wimmelte es vor dem Haus von uniformierten Männern. In einem Lastwagen befanden sich Seile, Äxte, Scheinwerfer, Essen und heißer Kaffee für die Polizisten und ein Radio-Sende- und Empfangsgerät. Ein Mann sollte bei dem Apparat zurückbleiben.
Die Frauen standen vor dem Haus und beobachteten die Vorbereitungen hoffnungsvoll. »Ihr himmlischen Sterne!« rief Anne. »Die müßten ja ein Pfennigstück in den Wäldern finden.«
Aber Susy wünschte, die Männer würden sich beeilen. Sie hatte Leila nicht gesagt, daß es Bären und Wildkatzen in den Bergen gab - von Schlangen ganz zu schweigen. Worauf warteten die Polizisten noch? Sie waren in Gruppen eingeteilt und schienen marschbereit zu sein.
Ein paar Minuten später, als die letzten kostbaren Sonnenstrahlen hinter den Bergen verschwanden, sah Susy, worauf sie gewartet hatten. Mit großer Geschwindigkeit bog noch ein Polizeiwagen in die Anfahrt der Barrys ein und hielt hinter dem letzten Wagen. Ihm entstieg ein Polizist mit zwei großen Hunden, die wild an ihrer Leine zerrten. Die Frauen schraken unwillkürlich zurück. Doch dann freuten sie sich. Die Hunde würden die Kinder bestimmt schnell aufspüren.
»Susy, bring rasch ein paar Kleidungsstücke der Kinder
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