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Susanne Barden 06 - Heiter bis bewölkt

Susanne Barden 06 - Heiter bis bewölkt

Titel: Susanne Barden 06 - Heiter bis bewölkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen D. Boylston
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sie fährt morgen fort. Ist das wahr?«
    »Ja, Jonny. Ihr Vater und ihre Mutter müssen in die Stadt zurückfahren, weil ihre Ferien zu Ende sind. Das hab’ ich dir doch schon ein paarmal gesagt.«
    »Warum kann Linde nicht bei uns bleiben?«
    »Weil sie ohne ihre Mammi unglücklich sein würde.«
    »Aber ich bin doch hier!«
    »Es geht nicht, Jonny. Sie muß wegfahren.«
    In Jonnys Gesicht begann es zu zucken. Er drehte sich um und rannte ums Haus herum, so daß man ihn nicht mehr sehen konnte. Linde, klein und zierlich in ihrem gelben Strandanzug, lief ihm nach. »Jonny, Jonny!« rief sie und begann ebenfalls zu weinen.
    Die beiden Mütter sahen sich hilflos an. »Was nun?« fragte Leila Murray. »Sollen wir ihnen nachgehen?«
    »Nein. Ich glaube, wir lassen sie lieber allein.«
    Ungefähr zehn Minuten später sahen sie die beiden Kinder Hand in Hand die Bergwiese hinaufklettern.
    »Jonny!« rief Susy. »Komm einmal her.«
    Zögernd drehten die Kinder um und kamen langsam zurück.
    »Was willst du, Mammi?« fragte Jonny, der jetzt wieder ganz fröhlich aussah.
    »Hör mal - Linde ist noch zu klein, um dort oben herumzuklettern. Könnt ihr nicht im Garten spielen?«
    »Wir wollen ja gar nicht spielen. Ich will einen Spielzeugbaum für Linde suchen. Den kann sie dann mitnehmen, und die Spielsachen daran sind alle von mir.«
    »Aber Jonny! Es gibt doch gar keinen Spielzeugbaum! Das ist doch nur ein Märchen.«
    Jonny schüttelte eigensinnig den Kopf. Im Grunde wußte er sehr gut, daß es den Spielzeugbaum nicht gab. Aber von dem Wunsch beseelt, Linde etwas Wunderbares, märchenhaft Schönes zu schenken, wollte er daran glauben. In seinem großen Kummer trieb es ihn, alles für sie zu tun, was in seinen Kräften stand. Was machte es schon aus, wenn er den Baum nicht fand? Die Hauptsache war, daß er ihn suchte. »Vielleicht ist über Nacht einer gewachsen«, sagte er. »Ich muß nachsehen.«
    »Wohin will er denn gehen?« fragte Leila Murray.
    »Zu dem Birkenwäldchen hinter der Wiese. Die Kinder spielen oft dort oben. Es ist ganz ungefährlich, und sie können uns hören, wenn wir sie rufen. Aber der Anstieg ist zu beschwerlich für Linde. Sie ist nicht an solche Kletterpartien gewöhnt.«
    »Ach, lassen Sie die Kinder nur gehen. Ein wenig Bewegung wird Linde nicht schaden.«
    »Nun gut, wenn Sie nichts dagegen haben — Aber ich will Linde lieber einen Trainingsanzug von Jonny anziehen, damit ihr im Wald nicht Arme und Beine zerkratzt werden.«
    Linde sah sehr drollig in dem Anzug aus, der ihr viel zu groß war. Schließlich machte sich das kindliche Liebespaar mit einer Tüte voller Kuchen auf den Weg. Die Mütter sahen den beiden nach. Die kleinen Gestalten wurden immer kleiner und verschwanden schließlich zwischen den Birken.
    »Wenn ich das geahnt hätte, wäre ich vorher hinaufgegangen und hätte ein Bäumchen mit Spielzeug behängt«, sagte Susy. »Es tut mir richtig weh, daß die Kinder sich trennen müssen.«
    Frau Murray nickte. »Wissen Sie was? Ich werde meinen Mann dieses Jahr auch im Herbst begleiten, wenn er zur Jagd herkommt. Dann haben die Kinder doch etwas, worauf sie sich freuen können, und es ist keine Trennung für immer.«
    Susy brachte Tee und Butterbrote heraus. Nachdem die jungen Frauen noch eine Weile über die beiden Kinder gesprochen hatten, wandte sich das Gespräch allgemeinen Problemen der Kindererziehung zu. Leila Murray war weder besonders intelligent noch gebildet, aber herzensgut und liebenswürdig. Auch besaß sie gesunden Menschenverstand und ein unverbildetes Urteil. Ihre Unterhaltung, dachte Susy bei sich, wäre in einem modernen Roman wahrscheinlich bespöttelt und von gedankenlosen Menschen belächelt worden, obwohl sie Fragen behandelte, die seit ewigen Zeiten wichtig und wesentlich waren. Ohne ihre Kinder hätten Leila und Susy sich kaum etwas zu sagen gehabt. So aber teilten sie eine reiche Welt von Erfahrungen, Interessen und Hoffnungen miteinander.
    Nach einiger Zeit wurden sie durch Jerry unterbrochen. Er und Bettina waren so vertieft in den Bau ihrer Sandburg gewesen, daß sie das Fehlen von Linde und Jonny zuerst gar nicht bemerkt hatten. Aber plötzlich vermißte Jerry seinen Zwillingsbruder; er kam herbeigelaufen und fragte nach ihm.
    Frau Murray sah auf ihre Uhr. »Himmel, es ist ja gleich fünf! Wir müssen nach Hause. Morgen haben wir eine lange Fahrt vor uns. Linde muß früh zu Bett.«
    Susy stand auf und holte eine große altmodische Glocke aus der Küche.

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