Sushi Für Anfaenger
waren. Doch die Stimmung sank wieder in den Keller, als im Juli ein Interview mit ihm im Irish Tattier erschien, in dem er ausführlich über die Missbrauchserfahrungen in seiner Kindheit sprach - worüber er angeblich exklusiv mit Carina gesprochen hatte.
»Wir sind ausgestochen worden!« Lisa tobte vor Wut. »Dieser Scheißtyp! Niemand behandelt meine Zeitschrift wie ein minderwertiges Blatt!« Nicht nur musste das Interview gekippt werden, es bedeutete auch, dass die Filmseite, auf der sein neuer Film wärmstens empfohlen wurde, umgeschrieben werden musste. »Wir machen ihn nieder«, befahl Lisa. »Wir schreiben einen Verriss, der sich gewaschen hat. Du, Ashling, mach du das!«
»Aber ich habe den Film gar nicht gesehen.«
»Na und?«
Erfolge waren hart umkämpft. Ein Faktum - wahrscheinlich das einzige -, über das Einigkeit herrschte, war die Tatsache, dass es ein Albtraum war, für Lisa zu arbeiten. Sie hatte sehr klare Vorstellungen von dem, was sie wollte. Und drei Stunden später, wenn der Artikel halb fertig war, hatte sie eine ebenso klare Vorstellung, dass sie ihn so nicht wollte. Bis zum nächsten Tag, dann bestand sie darauf, dass sie ihn doch wollte. Artikel wurden unter Mühen verfasst, weggeworfen, wiederbelebt, unter Tränen umgeschrieben, erneut rausgeschmissen, gekürzt und wieder ins Programm genommen.
Ashlings schöner Artikel mit dem Eingangssatz »Ganz gleich, was Sie sich von Ihrem Haar wünschen«, war so oft fallengelassen, gekürzt, umgeschrieben und gutgeheißen worden, dass Ashling in Tränen ausbrach, als Lisa ihn ein weiteres Mal umgeschrieben haben wollte. »Kannst du das machen?«, fragte Ashling Mercedes unter Schluchzen. »Wenn ich noch einmal was daran machen muss, verbrenne ich mich bei lebendigem Leib.«
»Kein Problem. Wenn du dafür die verrückte Frieda Kiely anrufst wegen des Fototermins am Samstag.«
Lisa hatte ihre Drohung wahr gemacht und auf neuen Modeaufnahmen von Frieda Kielys Kollektion bestanden.
»Ashling, Trix, Mercedes, sagt alle Verabredungen für Freitagabend ab, wir arbeiten am Samstag«, verkündete Lisa. »Ihr werdet gebraucht, zum Tragen, Kaffeeholen und so weiter.«
Es kam zu schockierten Beschwerderufen, doch das nützte niemandem etwas.
»Sie ist eine echte Sklaventreiberin«, beklagte Ashling sich an dem Abend, als sie mit Marcus im Mao beim Essen saß. »Die gemeinste Menschenschinderin aller Zeiten.«
»Kotz dich ruhig aus«, ermunterte Marcus sie und goss ihr ein Glas Wein ein. »Red dir den ganzen Ärger von der Seele!«
»Ach, nein«, sagte Ashling und fuhr sich mit der gestressten Hand durch die wirren Haare. »Sie setzt uns unglaublich unter Druck, und es ist ihr ganz egal, ob wir ein Leben außerhalb ihrer blöden, kostbaren Zeitschrift haben. Und wann sollen wir schlafen? Oder essen? Oder unsere Wäsche machen?«
Als Ashling endlich ihrem ganzen Unmut Luft gemacht hatte, war die Flasche Wein fast ausgetrunken und sie fühlte sich schon viel besser.
»Wenn man mich hört! Ich klinge wie eine Verrückte!«, rief sie mit rosigen Wangen. »Oh, nein. Ich hab genug getrunken.« Sie versuchte Marcus daran zu hindern, den Rest des Weins in ihr Glas zu gießen.
»Mach schon«, beharrte er. »Trink aus - du musst schließlich bei Kräften bleiben.«
»Danke. Gott, ich fühle mich tatsächlich viel besser«, stöhnte sie und ließ sich gegen die Zierleiste sinken. »Der psychotische Anfall ist vorüber, jetzt bin ich wieder normal.«
Als sie ihren Kaffee tranken, stellten sie über die anderen Gäste Spekulationen an. Wenn sie in Gesellschaft waren, spielten sie immer dieses Spiel, das darin bestand, den Menschen Geschichten und ganze Leben anzudichten.
»Was ist mit ihm?«, fragte Marcus und zeigte auf einen wettergegerbten älteren Mann, der Socken und Sandalen trug und gerade hereingekommen war.
Ashling betrachtete ihn aufmerksam. Dann sagte sie: »Ein Priester, der Ferien von der Mission hat.«
Marcus fand das ganz köstlich. »Hhmmm, du bist ganz schön witzig, was?« In seiner Stimme schwang Bewunderung. Dann deutete er mit dem Kopf auf zwei junge Männer, die beide heiße Schokolade tranken und Käsekuchen aßen. »Was ist mit denen dort drüben?«
Ashling rang mit sich. Vielleicht sollte sie sich zurückhalten, aber der Wein machte sie mutig, so dass sie sagte: »Vielleicht ist es politisch nicht korrekt, aber ich glaube, sie sind schwul.«
»Warum?«
»Weil... na, dafür gibt es viele Gründe. Heterosexuelle Männer gehen
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