Sushi Für Anfaenger
war. Sie machte es sich zur Gewohnheit, am Freitagabend am Ende ihrer Straße mit einem schrecklichen Gefühl der Übelkeit im Bauch zu warten, dass das Auto ihres Vaters um die Ecke bog. Während sie wartete, versuchte sie den Schreckgedanken, dass er nie mehr kommen könnte, zu ersticken, indem sie ein Spiel mit sich spielte. Wenn das nächste Auto rot ist, wird alles gut. Wenn das nächste Auto eine Autonummer hat, die mit einer geraden Zahl aufhört, wird alles gut.
Schließlich kam der Montagmorgen, an dem sie ihren Vater bat, nicht wegzufahren.
»Ich muss fahren.« Er war kurz angebunden. »Wenn ich meine Arbeit verliere, dann weiß ich nicht, wie wir durchkommen sollen. Versuch einfach, auf sie aufzupassen.«
Ashling nickte ernsthaft und dachte: Das soll er nicht zu mir sagen - ich bin doch noch ein kleines Mädchen.
»... Natürlich, Ashling ist sehr verantwortungsbewusst. Sie ist erst neun, aber sie ist sehr reif für ihr Alter.«
Die Erwachsenen sprachen mit gedämpften Stimmen untereinander. Sie kamen zu ihnen ins Haus und hörten auf zu sprechen, wenn Ashling in der Nähe war.
»... seine Eltern sind nicht mehr die Jüngsten, die würden mit drei lebhaften Kindern nicht zurechtkommen ...«
Seltsame fremde Wörter wurden benutzt. Depression. Nervliche Belastung. Zusammenbruch. Man sprach von ihrer Mutter, davon, dass sie »irgendwohin kommt«.
Schließlich wurde ihre Mutter tatsächlich »irgendwohin gebracht«, und ihr Vater musste die Kinder auf seine Fahrten mitnehmen. Sie fuhren lange Strecken, waren krank vom Autofahren und langweilten sich. Janet und Owen saßen auf dem Rücksitz neben einem Muster-Staubsauger, Ashling saß auf dem Beifahrersitz, während sie über das Land fuhren und in kleinen Städten vor kleinen Elektrowaren-Geschäften anhielten. Gleich bei dem ersten Halt übertrug sich Mikes Angespanntheit auf sie.
»Wünsch mir Glück«, sagte er, als er nach dem Ordner mit den Broschüren griff. »Dieser Mensch ist knausrig. Und dass ihr mir nichts anrührt!«
Vom Auto aus sah Ashling zu, wie ihr Vater den Kunden vor dem Laden begrüßte, und wurde Zeugin, wie er aus ihrem reizbaren, sorgenzerfurchten Vater ein sorgloser, gesprächiger Vertreter wurde. Plötzlich hatte er alle Zeit der Welt zu einem Plausch. Da machte es nichts aus, dass er noch acht weitere Termine hatte und in Zeitdruck war, weil sie verspätet aufgebrochen waren. Er bewunderte mit dem Mann zusammen dessen neuen Wagen, betrachtete ihn von allen Seiten und schlug dem Besitzer bewundernd auf die Schulter. Während ihr Vater angeregt mit seinem Kunden sprach, lächelte und Witze machte, hatte Ashling eine Erkenntnis, für die sie viel zu jung war. Sie wurde sich bewusst, dass es für ihren Vater zu schwer war.
Als Mike sich wieder ins Auto setzte, verschwand das Lächeln, und er war wieder der mürrische Vater.
»Hat er was bestellt, Dad?«
»Nein.« Die Lippen fest aufeinander gepresst, stieß er den Wagen rückwärts aus der Einfahrt und schlug mit kreischenden Reifen die Richtung zum nächsten Kunden ein.
Manchmal bestellten die Kunden etwas, aber nie so viel, wie er sich erhoffte, und jedesmal, wenn er wieder ins Auto stieg und weiterfuhr, schien er entmutigter und kleiner.
Als das Ende der Woche kam, weinten Janet und Owen fast ununterbrochen und wollten nach Hause. Und Ashling hatte sich eine Ohrinfektion zugegezogen, etwas, das sich später in ihrem Leben jedesmal, wenn sie in eine Stress-Situation geriet, wiederholte.
Nachdem Monica drei Wochen lang weggesperrt gewesen war, tauchte sie wieder auf, ohne dass eine merkliche Besserung eingetreten war. Das Anti-Depressivum machte sie träge und teilnahmslos, und als sie das Präparat wechselte, hatte das auch nicht die gewünschte Wirkung.
Obwohl sie immer wieder neue Medikamente versuchte und Ashlings Rituale immer ausgeklügelter wurden, änderte sich ihr Zustand nicht wesentlich. Monicas Kummer konnte von den kleinsten Kleinigkeiten ausgelöst werden, angefangen bei einer Naturkatastrophe bis hin zu kleinen Akten der Grausamkeit. Ein Schuljunge, der um sein Taschengeld betrogen wurde, konnte ebenso die Tränen zum Strömen bringen wie ein Erdbeben im Iran, bei dem tausende von Menschen ums Leben kamen. Aber die Tage, die sie still im Bett liegend und vor sich hin weinend verbrachte, wurden unterbrochen von Schreianfällen und heftigen Zornesausbrüchen, die gegen ihren Mann, ihre Kinder und meistens gegen sich selbst gerichtet waren.
»Ich will mich
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