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Sushi Für Anfaenger

Sushi Für Anfaenger

Titel: Sushi Für Anfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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nicht so fühlen«, kreischte sie dann. »Wer will das denn? Du hast Glück, Ashling, du wirst nie so leiden wie ich, du hast keine Fantasie.«
    Ashling hielt an dieser Tatsache fest als wäre sie ein Schild. Mangelnde Fantasie war wunderbar, wenn sie verhinderte, dass man wahnsinnig wurde.
    Monicas Stimmungen waren so furchtbar, dass Ashling große Teile ihrer Zeit als Teenager praktisch als Familienmitglied in Clodaghs Haus verbrachte.
    Gelegentlich gab es zwischen Phasen der Dumpfheit und der Hysterie Momente der Normalität. Die eigentlich überhaupt nicht normal waren. Mit jedem Hemd, das Monica sorgfältig gebügelt in den Schrank legte, mit jeder Mahlzeit, die sie pünktlich auf den Tisch brachte, spannten sich Ashlings Nerven ein bisschen mehr, während sie auf den Augenblick wartete, da alles wieder abstürzte. Und wenn der Moment kam, war es fast eine Erleichterung.
    Mit siebzehn zog Ashling zu Hause aus und mietete sich eine Wohnung. Drei Jahre später trat Mike eine neue Stelle in Cork an, so dass Ashling ihre Eltern kaum noch sah. In den letzten sieben Jahren war Monicas Zustand stabiler geworden: Die Depressionen und Wutausbrüche waren so plötzlich und unangekündigt verschwunden, wie sie gekommen waren. Ihr Arzt sagte, es hätte mit dem Ende ihrer Wechseljahre zu tun.
    »Ihr geht es doch gar nicht so schlecht«, sagte Clodagh und holte Ashling in die Wirklichkeit zurück.
    »Ich weiß«, sagte Ashling mit einem Seufzer. »Aber ich will sie trotzdem nicht sehen. Ich weiß, es klingt schrecklich, wenn ich das sage. Ich liebe sie, aber ich kann es kaum ertragen, sie zu sehen.«

46
    Ashling sollte am Samstag gegen Mittag in Cork ankommen, und am Sonntag würde sie den Zug um fünf Uhr zurück nach Dublin nehmen. Das Wochenende war also lediglich achtundzwanzig Stunden lang, von denen sie acht schlafend verbringen würde. Es blieben also nur zwanzig Stunden, die sie mit ihren Eltern zusammen sein müsste. Das war doch eine Kleinigkeit!
    Zwanzig Stunden! Voller Panik dachte sie, ob sie genügend Zigaretten dabei hatte. Und Zeitschriften. Und wo war ihr Mobiltelefon?
    Eine vollkommen verrückte Idee, sich zu dem Besuch bereitzuerklären.
    Während sie die Landschaft vor dem Fenster vorbeiruckeln sah, betete sie, dass der Zug gnädig sein und unterwegs liegenbleiben würde. Aber nein. Natürlich nicht. Das passierte nur, wenn man es verdammt eilig hatte. Dann blieb der Zug immer wieder ohne Erklärung auf einem Nebengleis stehen, man musste umsteigen in einen anderen Zug, und von dem anderen Zug in einen wartenden, eiskalten Bus, und die Fahrt, die ursprünglich drei Stunden dauern sollte, dauerte acht.
    Ashling jedoch kam schreckliche zehn Minuten zu früh in Cork an. Natürlich waren ihre Eltern schon am Bahnhof und sahen mit Entschlossenheit normal aus. Ihre Mutter hätte irgendeine irische Mutter in einem gewissen Alter sein können: die nicht mehr frische Dauerwelle, das nervöse Lächeln zur Begrüßung, die Strickjacke aus Acryl, die sie sich um die Schultern gelegt hatte.
    »Du bist die reinste Augenweide«, sagte Monica und war im Begriff, vor Stolz in Tränen auszubrechen.
    »Du aber auch.« Ashling hatte Gewissensbisse.
    Dann kam die Umarmung, bei der Monica nicht wusste, sollten sie sich damenhaft auf die Wangen küssen oder sich herzlich drücken, so dass ein unbeholfenes Gerangel entstand.
    »Hallo, Dad!«
    »Ehm, willkommen, willkommen, willkommen!« Mike war unbehaglich zumute - wurde von ihm eine Zärtlichkeitsbekundung erwartet? Zum Glück war da Ashlings Tasche, die er tragen konnte, wozu er alle freien Hände brauchte.
    Die Fahrt zum Haus ihrer Eltern, das Gespräch darüber, was Ashling während der Zugfahrt gegessen hatte, und die Diskussion, ob sie eine Tasse Tee und ein Sandwich oder nur eine Tasse Tee haben wollte, füllten vierzig Minuten aus.
    »Einfach nur eine Tasse Tee.«
    »Ich habe auch Penguins«, wollte Monica sie verlocken, »und Flügelbrötchen. Ich backe sie selbst.«
    »Nein, ich ... oh ...« Die Vorstellung von Flügelbrötchen verschlug Ashling die Sprache. Monica machte die Keksdose auf und zeigte ihr kleine, unförmige Küchlein, jedes mit einem kleinen Paar Flügel, das in einem Klecks Creme obenauf saß. Über die Creme waren bunte Zuckerstreusel gestreut, und als Ashling ein Stück von dem Brötchen - einen Flügel, um genau zu sein - aß, schluckte sie mit dem Bissen auch einen Kloß im Hals hinunter.
    »Ich muss noch in die Stadt«, verkündete Mike.
    »Ich

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